Aufschieben ist nicht über's Knie brechen

■ Der Knast „überschattet“ weiterhin die Würde der KZ-Gedenkstätte Neuengamme / Außerdem gestern in der Bürgerschaft: Das nächste Haushaltsloch Von Sannah Koch und Uli Exner

„Schlicht unzumutbar“ ist der Zustand laut Bürgermeister Voscherau seit 49 Jahren, unzumutbar wird er wohl auch zum Jahrtausendwechsel noch sein: Auch dann wird die „Würde des ehemaligen Hamburger Konzentrationslagers Neuengamme weiter durch die Nutzung zu Vollzugszwecken überschattet“ sein.

Viele Versprechungen wurden in den vergangenen zehn Jahren über die zügige Verlagerung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vierlande vom KZ-Gelände gemacht – in diesem Sommer entschied der Senat aber, die für 1995 vorgesehenen Mittel erstmal anderweitig zu verwenden. Mit den elf Millionen Mark, die für den Neubau der Anstalt eingeplant waren, sollen nun die geschlossenen Knäste modernisiert werden. Die Verlagerung, so Justizsenator Klaus Hardraht gestern in der Bürgerschaft, sei damit lediglich „aufgeschoben, nicht aufgehoben“.

Grund für dieses weitere Kapitel der unendlichen Geschichte ist die Bergedorfer Bezirksversammlung. Seit Jahren steht ein Grundstück in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet in Billwerder zur Debatte, doch im Juni beschloß das Bezirksparlament, dieses zur Grünfläche zu erklären – und weg ist der Standort. Ohne Verlagerung ist eine Neugestaltung der Gedenkstätte aber nicht zu realisieren.

Peinlich nur, daß die Stadt die Hoffnung erweckt hatte, daß im Mai 1995 – zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus – sichtbare Beweise eines ernsthafteren Umgangs mit dem Erinnern an die Nazi-Greuel auf dem KZ-Gelände auffindbar sein würden. Ein Gedenkstätten-Konzept wurde schon vor zwei Jahren von einer Expertenkommssion erstellt. Das 50 Hektar große Gelände, auf dem einst Zehntausende ihr Leben verloren, könne dann zu einem „zentralen europäischen Ort der Auseinandersetzung“ werden, hatte die Kommission gehofft.

Wann es soweit sein wird, ist nun völlig offen. Um aber den Opfern im kommenden Mai wenigstens etwas vorzeigen zu können, stellt die Justiz- nun der Kulturbehörde Räume der ehemaligen Walther-Werke in Aussicht. Dort, wo KZ-Insassen Waffen herstellen mußten, soll eine Ausstellung präsentiert werden.

In der Kulturbehörde räumte man jedoch ein, daß das Ganze wegen der Kurzfristigkeit wohl „etwas über das Knie gebrochen“ werden muß.