Ein Schritt zur Versöhnung

Nach dem historischen Handshake irischer und nordirischer Politiker soll ein Friedensforum unter Beteiligung von Sinn Féin eine Lösung des Nordirlandkonfliktes suchen  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die einen sprachen von einem „historischen Ereignis“, die anderen nannten es „unanständig und obszön“: das Händeschütteln zwischen dem irischen Premierminister Albert Reynolds, Sinn-Féin- Präsident Gerry Adams und John Hume von den nordirischen Sozialdemokraten, das am Dienstag abend auf den Stufen des Dubliner Parlaments inszeniert worden war. In einer gemeinsamen Erklärung der drei Politiker hieß es, man stehe „am Anfang einer neuen Ära, in der wir alle vollkommen und uneingeschränkt demokratischen und friedlichen Mitteln verpflichtet sind, um unsere politischen Probleme zu lösen“. Man werde sich um eine dauerhafte Übereinkunft bemühen, die für alle Seiten annehmbar sei.

Als wichtigen Schritt in diese Richtung sehen Reynolds, Adams und Hume das „Forum für Frieden und Versöhnung“, das auf Vorschlag der irischen Regierung eingerichtet werden und spätestens Ende Oktober seine Arbeit aufnehmen soll. Aus den bisherigen Vorgesprächen mit den Dubliner Oppositionsparteien geht jedoch nicht hervor, was das Forum eigentlich leisten kann. Nordirlands Unionisten, die für die Union mit Großbritannien eintreten, werden jedenfalls nicht daran teilnehmen.

Offenbar geht es bei dem Forum vor allem darum, Sinn Féin einen Platz an einem Verhandlungstisch zukommen zu lassen, nachdem ihr militärischer Flügel, die Irisch-Republikanische Armee (IRA), vor einer Woche einen Waffenstillstand erklärt hat.

Gerry Adams war sich der Bedeutung des ersten offiziellen Treffens zwischen einem Sinn-Féin-Politiker und einem irischen Premierminister durchaus bewußt. „Es ist ein historischer Tag, ein historisches Ereignis, ein historisches Treffen“, sagte er, „und es stellt nicht die geringste Gefahr für unsere protestantischen Brüder und Schwestern im Norden dar.“

Die „Brüder und Schwestern“ sehen das freilich anders. Der unionistische Unterhaus-Abgeordnete David Trimble verurteilte die „obszöne Eile“, mit der Reynolds „seine Geschäfte mit Adams“ aufgenommen habe. Auch die meisten seiner Parteikollegen monierten, daß die „Dekontaminierungsphase“, in der Sinn Féin die Läuterung beweisen müsse, viel zu kurz gewesen sei. „Das kann nicht innerhalb einer Woche geschehen“, sagte der frühere Belfaster Bürgermeister, Reg Empey. Er befürchtet, daß sich das Friedensforum als „Rammbock für ein vereintes Irland“ entpuppen werde. Es gibt deshalb Bestrebungen, ein unionistisches Forum als Gegenpol einzurichten.

Der Initiator dieses Gegenforums, der radikale Presbyterianerpfarrer Ian Paisley von der Demokratischen Unionistischen Partei (DUP), hatte am Dienstag jedoch andere Sorgen. Er war am Nachmittag zu einem Gespräch mit dem britischen Premierminister John Major in die Downing Street gekommen, aber bereits nach zehn Minuten wieder hinausgeworfen worden, weil er Majors Aufrichtigkeit angezweifelt hatte. Der Premierminister hatte mehrmals verlangt, Paisley solle sein Versprechen akzeptieren, daß es keine Geheimabsprachen mit der IRA gegeben habe. Als Paisley sich weigerte, forderte Major ihn auf, den Raum zu verlassen und sich erst wieder blicken zu lassen, wenn er den Worten des Premierministers nicht mehr mißtraue.

Im Gegensatz zu Paisley sprach Labour-Führer Tony Blair der Regierung sein volles Vertrauen aus. Er sagte, John Major bremse den Friedensprozeß keineswegs, sondern warte zu Recht ab, ob der IRA-Waffenstillstand endgültig sei. Indirekte Kritik kam dagegen vom irischen Außenminister Dick Spring. Nachdem er seinen deutschen Amtskollegen Klaus Kinkel über die Entwicklung in Nordirland informiert hatte, sagte er auf der Pressekonferenz im Berliner Reichstag: „Wenn Gerry Adams seine Partei auf demokratische und friedliche Mittel bei der Lösung politischer Konflikte verpflichtet, so muß das als Bestätigung, wie die britische Regierung sie verlangt hat, ausreichen.

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