Welle schwimmt wieder!

■ Die Welle kriegte erst Nase, dann Arsch nicht hoch, jetzt hat das Drama ein Ende

Sie schwimmt wieder! Nach wochenlangem Ringen hat das Drama um das versenkte Varieteschiff „Welle“ nun ein Ende – zumindest was die technische Seite angeht. In der Nacht zum Donnerstag gelang der sechste Bergungsversuch des Unternehmers Bernd Lehmkuhl, auch wenn sich das gute Stück wehrte, so gut es ging: Mit zwei Bergungskränen und jeder Menge Druckluft wurde das Schiff aus den Fluten gehoben. Den einen oder anderen bangen Moment erlebte die Bergungscrew dabei, doch gegen 2 Uhr nachts war das Unternehmen geglückt. Gestern nachmittag wurde die „Welle“ soweit schwimmfähig gemacht, daß sie von zwei Schleppern in den Mittelsbürener Hafen geschleppt werden konnte.

22 Uhr: Die Aktion soll losgehen. Wie schon seit Tagen bevölkern hunderte Menschen den Ort des Geschehens: heute in andächtiges, geradezu ehrfürchtiges Schweigen gehüllt. Die beiden Kräne ragen duster in den Nachthimmel, während der Ponton und die „Welle“, von der nur die Bugspitze zu sehen ist, in grelles Licht getaucht sind. Es passiert – sichtbar gar nichts. Lediglich ein leichtes Blubbern verrät die Aktivitäten unter Wasser: Die Taucher, seit Tagen nahezu ununterbrochen im Einsatz, haben Gummiballons im Wrack untergebracht, die nun aufgepumpt werden. 100 Kubikmeter Druckluft sollen den Kahn bzw. was von ihm übrig ist an die Wasseroberfläche bringen. Das dauert.

22.15 Uhr: „Die kriegen das Ding nie hoch“, unkt einer am Ufer. Schnapsflaschen kreisen.

22.25 Uhr: Auf dem Ponton versuchen die Männer vergeblich, eine Pumpe in Betrieb zu setzen. Nach minutenlangem Zerren am Startseil gelingt es endlich. Pfiffe.

22.30 Uhr: Die Polizei räumt die Teerhofbrücke. „Das ist zu gefährlich hier, die Trossen könnten reißen“, sagt ein Polizist. „Jetzt geht–s los“, skandiert einer. Doch nix passiert.

22.55 Uhr: Es passiert etwas. Die Tochter und die Ehegattin des Chefs Lehmkuhl, der die Aktion mit Helm und Funkgerät von der Schlachte aus beobachtet, bringen heißen Kaffee und selbstgebackenen Kuchen (in einer Tupperschüssel) vorbei. Die beiden werden ihm die ganze Nacht zur Seite stehen.

23.10 Uhr: Bernd Lehmkuhl ist zuversichtlich: „Alles läuft nach Plan“, sagt er, was ihm aber niemand glaubt. Außer einem leichten Blubbern passiert am Wrack immer noch nichts. Nur drei Stunden Arbeitszeit stehen dem Bergungsteam jeweils zur Verfügung, dann kommt die Flut. Lehmkuhl: „Ab jetzt ist alles eine Sache des Gefühls“.

23.40 Uhr: Der Kran am Heck zieht an. Die versammelte Presse bringt sich schnell in Sicherheit – die Spannung steigt. Ganz langsam hebt sich der Hintern der „Welle“ aus dem Wasser. Ein junge Frau am Ufer mag gar nicht hinsehen: Sie bangt um ihren Freund, einen der Taucher. Am Samstag war an dieser Stelle eines der beiden Stahlnetze, die unter dem Schiff durchgeschoben sind, gerissen. „Da war ein Taucher gerade zwei Minuten vorher noch unter dem Schiff gewesen“, sagt die Frau. Ein Arbeiter turnt auf dem gehobenen Teil herum. Die Wasserpumpen werden angeworfen. Im Mittelschiff blubbert es plötzlich heftig: Ein Schlauch ist gerissen. Das Schiff droht auseinanderzubrechen. Nach ein paar Minuten muß der Kran das Wrack wieder hinunterlassen – mit einem heftigen Sog verschwindet der Hintern wieder in der braunen Brühe. Bernd Lehmkuhls Stirn wirft besorgniserregende Falten. Alles vorbei?

23.50 Uhr: „Wellen“-Besitzer Beppi Heiss taucht auf der mittlerweile wieder bevölkerten Teerhofbrücke auf. Keine bissigen Kommentare diesmal.

23.55 Uhr: Nächster Versuch. Die Nase der „Welle“ hebt sich. Gurgelnd schießt das Wasser aus ihr heraus. Taucher gehen an „Bord“, hantieren mit Schläuchen, klettern in einem unglaublichen Chaos herum.

0.05 Uhr: Ein Wasserschlauch macht sich selbständig und katapultiert wild in unmittelbarer Nähe von zwei Tauchern herum. Die beiden, ohne Sicherheitshelm, machen daß sie wegkommen, kriegen das Ding dann unter Kontrolle.

0.20 Uhr: Der Kran hebt nun noch einmal das Heck hoch. Es gelingt. Die Pumpen schaffen immer mehr Wasser aus dem Wrack, immer mehr wird vom abgerissenen Deck sichtbar. Das Schiff sieht aus, als hätte dort eine Bombe eingeschlagen.

0.25 Uhr: Ein Stahltroß sieht bedrohlich zerribbelt aus: Wie im Film zerreißen langsam die einzelnen Stahldrähte. Doch niemand ist ernsthaft beunruhigt: Wird schon halten. Auf Deck wird fieberhaft gearbeitet – in unmittelbarer Nähe der Stahlseile.

0.45 Uhr: Immer noch kein Szenenapplaus. Die Menschen umzu schweigen nach wie vor andächtig. Familie Lehmkuhl macht bereits frohe Gesichter, die junge Frau wähnt ihren Taucher bereits im Feierabend.

1.00 Uhr: „Immer noch kein Sieg?“, fragt Bernd Lehmkuhl, der mittlerweile strahlt, ins Funkgerät. „Moment noch“, lautet die Antwort. Das Mittelschiff liegt noch in Schräglage da, die Pumpen arbeiten weiter. Erfolgreich. Das Ding schwimmt. Endlich. skai