Ein wenig Ruhe nach dem Sturm

■ Der Konflikt um die Musikräume in der Friesenstraße scheint plötzlich wieder lösbar

Die drohende Räumung der Musikräume in der Friesenstraße (taz 19.8.) hat seit gestern sehr massive Formen angenommen: Die Schlüsselgewalt über die acht Probenräume hat der Gerichtsvollzieher an sich genommen; die Bands, die aufgrund eines Streits über den Geräuschpegel im Gebäude weichen sollen, stehen nun ohne jegliche Sicherheit da und könnten innerhalb von 14 Tagen geräumt werden. Am Sonntag wollen sie mit einem „Tag der offenen Tür“ nochmals auf ihre miserable Lage – und auf ihre vielfältige Arbeit – hinweisen. Denn noch geben die Musiker nicht verloren, was sie in fünf Jahren aufgebaut haben – und siehe: Trotz der Zuspitzung auf gerichtlicher Ebene haben sich einige der Konfliktparteien scheinbar wieder angenähert.

Das betrifft zumindest einige Musiker sowie Mitglieder des Jungen Theaters. Zum Krach zwischen beiden Parteien war es gekommen, als das Junge Theater vor anderthalb Jahren in die Friesenstraße gezogen war – ohne von der Eigentümerin hinreichend über die zu erwartende Begleitmusik im Hause informiert worden zu sein. Denn seit 1989 probten Bands, als Untermieter des Spediteurs Dullien, in den Katakomben der Friesenstraße. Das Nebeneinander von Musik- und Theaterproben erwies sich bald als unverträglich. Über eine entsprechende Schallisolierung aber konnten sich die Beteiligten nicht einig werden – Folge: der Streit schaukelte sich bis auf Gerichtsebene hoch, wo zuletzt die Hauseigentümerin, die „Steintor GmbH“, gegen die Firma Dullien klagte – und zuletzt in zweiter Instanz vor derm Bremer OLG gewann. Jetzt will die Eigentümerin offenbar Gebrauch machen von ihrem Recht: Gestern mittag klopfte der Gerichtsvollzieher bei Hartmut Dullien an; dessen Anwalt händigte inzwischen die Schlüssel aus. Dullien sah sich nach eigener Auskunft „nicht in der Lage, die vom Gericht festgesetzten 35.000 Mark als Sicherheit“ zu hinterlegen, um nochmals Aufschub vor der Räumung zu bekommen. Nach seiner Ansicht deute der gestrige Termin daraufhin, daß die Eigentümerin es bis zum „Tag der offenen Tür“ gar nicht kommen lassen wolle.

Zwischen Theater und Musikern aber wird es da keinen neuen Streit geben, versichern beide Seiten. Denn seit die Räumung droht, haben sie sich doch wieder mal, nach langer Sendepause, an einen Tisch gesetzt. „Jetzt müssen wir uns zusammentun“, sagt André Szigethy von den „Dry Halleys“, der die Musikszene in der Friesenstraße mit auf die Beine gebracht hat. „Freiwillig gehen wir jedenfalls nicht.“ Derzeit kursiert die Idee, die Räume vielleicht direkt von der Eigentümerin zu mieten – „da würden wir uns prinzipiell nicht querstellen“, sagt Carsten Werner vom Jungen Theater. Bis auf weiteres habe man sich jedenfalls „auf ein Grundlevel von Ruhe“ im Haus geeinigt. Das heißt: Wenn am Sonntag ab 16 Uhr die Bands aufdrehen, um der Öffentlichkeit zu zeigen, was so alles in diesen bescheidenen Räumen an Musik produziert wird, soll es keine Einwände vom Theater geben; und wenn im Theater, das heute mit einem Theaterfest seine neue Saison einläutet, um 20.30 Uhr „La testa d'Adriana“ spielt, dann schweigen die E-Gitarren und Baßtrommeln im Untergrund. Nun soll der Faden dort wieder aufgenommen werden, wo er vor über einem Jahr abriß: Vielleicht, so überlegen beide Seiten, könne man ja zumindest einzelne Räume isolieren, und die etwas lauteren Bands könnten ja auch im hinteren Trakt des Gebäudes spielen – zur Not bietet das Ortsamt inzwischen seine Vermittlung in letzter Minute an. Warum man darauf nicht schon ein paar Monate früher hätte kommen können, das ist manchem der Beteiligten inzwischen selbst ein wenig schleierhaft. tom