: Den Arbeitslosen eine Stimme
■ Vor der Bundestagswahl rufen „Arbeitslose in Bewegung“ zum Protest auf / Wahlempfehlung wird vorbereitet
Das Bündnis „Arbeitslose in Bewegung“ will sich in den Bundestagswahlkampf einschalten. Wie Peter Grottian, Professor an der Freien Universität und einer der Initiatoren, mitteilte, wird eine „spektakuläre Protestaktion“ kurz vor dem Wahltag am 16. Oktober vorbereitet. Außerdem plant das Bündnis seine Beteiligung an den Kundgebungen von Obdachlosen, die am 23. und 24. September in Bonn und Berlin stattfinden. Am selben Wochenende wollen die „Arbeitslosen in Bewegung“ zudem eine empirische Studie über das Wahlverhalten arbeitsloser Menschen vorstellen. Als Schlußfolgerung soll dann eine Wahlempfehlung für die Bundestagswahl abgegeben werden.
„Arbeitslose haben keine Stimme in der Politik, mit der sie ihren Zorn, ihre Betroffenheit und ihre Wünsche auf gesellschaftliche Teilhabe zum Ausdruck bringen könnten. Wirkliche Lösungen für ihre Probleme sind in den Wahlprogrammen aller Parteien nicht zu erkennen.“ Mit dieser Feststellung luden verschiedene InitiatorInnen aus Bürgerbewegungen, Selbsthilfegruppen und Beschäftigungsprojekten zur „Ersten Berliner Arbeitslosenversammlung“ ein, die im Juli stattfand. Rund die Hälfte der knapp 300 Gäste seien AkademikerInnen gewesen, berichtet Heike Gonschorek, die als arbeitslose Fremdsprachenkorrespondentin dabei war. AktivistInnen aus bestehenden Gruppen kamen ebenso, wie mitgebrachte arbeitslose Bekannte, Betroffene, die durch eine Diskussion bei der Volksuni zu Pfingsten aufmerksam geworden waren, oder LeserInnen der „sogar bei Aldi“ verteilten Flugblätter. Heike Gonschorek fiel auf, daß ein großer Teil der Versammelten schon „im kritischen Alter“ war, in dem die Chance, wieder eine Stelle zu finden, kleiner wird.
Bei ihren Alternativkonzepten setzen die „Arbeitslosen in Bewegung“ unter anderem auf das Unterstützen von Einzelinitiativen. Eine erweiterte steuerliche Absetzbarkeit für private Lohnzahlungen könnte Anreize schaffen, Arbeitslose einzustellen. Gerade im familiären und nachbarschaftlichen Bereich sieht Peter Arnold, einer der Organisatoren des Bündnisses, ein weites Feld für diese – oft nur befristeten – Beschäftigungsverhältnisse „bis hin zur Hausrenovierung oder zur Märchenerzählerin“. Auch Arbeitslosen, die eine abhängige oder selbständige Beschäftigung aufnehmen, könnte durch Gehaltszahlung per Kredit der Einstieg erleichtert werden. Wenn aus dem Job ein langfristiges Arbeitsverhältnis wird, setzt die Rückzahlung an die Bank ein. Matthias Fink
„Arbeitslose in Bewegung“, Haus der Demokratie, Friedrichstraße 165, 10117, Tel.: 030/229 13 96
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