Durchs Dröhnland
: Hamburg, die 29.

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Aus Japan schwappt jetzt öfters mal Musik fürs Volk rüber, sei es von Shonen Knife mit ihrem babydollen Pop, sei es von den Punk- und Rrrriot-Girrrls Supersnazz. Auch Zeni Geva kommen aus dem fernen Osten und fanden in den Staaten ein für ihren Sound kongeniales Label, nämlich Biafras Alternative Tentacles. Und da kann man sich ungefähr denken, auf welchen Fundamenten Zeni Geva ihren Sound bauen: Mit scheinbar monströsen Hämmern wird da auf die Instrumente eingehackt, Sänger Null muß zentnerweise Nägel gefressen haben, und die Songs schleppen sich hart an jeder dezibelerträglichen Schmerzgrenze zu den Höhepunkten. Dampfwalzen-Metal at it's best. Erst totale Power, danach die totale Erschöpfung. Erstaunlich, experimentell, jedoch nicht immer zu leicht zu schlucken.

Heute, 22 Uhr, Ex, Gneisenaustraße 4, Kreuzberg.

Abgeraten sei an dieser Stelle von dem samstäglichen Treiben, das unter dem Motto „Clubs United“ firmiert. Das ist für die Clubs und die auftretenden Bands in dieser massenwirksamen Präsentation sicher ein gute Werbung, für die wirklich interessierten KonzertgängerInnen aber eine Qual: Die Läden sind einfach zu voll, die Shows nicht sooo wahnsinnig aufregend, und mehr als zwei Konzerte kann man am Ende für seine zwanzig Märker auch nicht besuchen.

Morgen, ab 21 Uhr in (fast) allen Berliner Clubs.

Ähnliche hauer- und Brutalexperimente wie Zeni Geva hat Jon Spencer früher mit Pussy Galore gemacht. Nach deren Dahinscheiden drückte er sich einige Zeit bei Bosshog herum, der Band seiner Frau. Das befriedigte aber nur bedingt, das klassische Rockmusik-Pärchen à la Blondie oder Cramps wollten die beiden nicht werden, und so wie Cristina bei Pussy Galore geschaßt wurde, durfte Jon bei Bosshog sein Hütchen nehmen. Was nicht die schlechteste Lösung war, denn mit seiner Blues Explosion macht Jon Spencer nun dampfenden, brodelnden, sumpfigen Rock 'n' Roll, der seine Wurzeln tief und fest in einen südstaatengesättigten Blues geschlagen hat. Vorsichtig anzuführen wären Vergleiche mit Jeffrey Lee Pierce oder Kim Salmon, die sich auf ähnlich punkrockistische Art und Weise an moderne Blues- Interpretationen wagen. Spencer führt das bloß auf einer völlig verschrumpelten Folie aus. Der Mann röhrt und stöhnt um seine unruhigen, nervös zuckenden Gitarren, verzichtet auf einen Baß, und dazu klappert ein Schlagzeug, das auf einer Müllkippe besser aufgehoben wäre. Aber auch wenn da manchmal etwas zuviel Garage und Noise rüberkommen mag: Feinheiten sind vorhanden! Ansonsten heißt es Explosion, aber deftig, und Schmerz ist „the number one allover the states“.

Am 11.9., 21 Uhr, Huxleys Jr., Hasenheide 110-114, Neukölln.

Manche Menschen glauben noch an die guten alten, übersteuerten, kreischigen, hochgradig verzerrten Gitarren, so süß und doch vergiftet, so überreif und abgefault. Wir erinnern uns mit Wonne an das erregend neue Verständnis von Welt und Pop, das uns The Jesus & Mary Chain 1985 mit „Psycho Candy“ gnadenlos vermittelten; an den great noise 'n' pop swindle, der zwar nicht lange währte, aber doch ein paar öde Jährchen vergessen machte, später dann vielleicht in My Bloody Valentine seine letzten, leicht esoterischen Jünger hatte. Medicine, deren Kopf Brad Laner übrigens früher bei Savage Republic trommelte, stört das wenig. Die machen weiter auf some candy talking, verwechseln Krach mit Experiment, sind weder so furios und schmetternd wie seinerzeit die Reid-Brüder, noch so abstrakt wie MBV; zumindest haben sie ordentliche Melodien in petto. Komisch übrigens, daß Medicine wegen ihrer musikalischen Präsenz in dem Film „The Crow“ gleich in den Ablagen für düster-depri-Musik landeten. Da hat diese Band nun wirklich nichts zu suchen!

Am 13.9., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

Dog Eat Dog waren erst vor kurzem hier und begeisterten mehr als ihre ziemlich stumpfen Headliner Biohazard. Toll an Dog Eat Dog ist, daß bei ihnen ein ziemlich klasse Saxophon im Hardcore-HipHop-Brei rührt, und das vermittelt beim Hören und Stage-diven ganz neue Kraft und Energien. Ansonsten ist mir ein Refrain im Ohr hängengeblieben, der die Botschaft der Band ganz gut charakterisiert: „No front no tricks no soap box politics, no guns just blunts we kick this just for fun.“

Am 14.9., 21 Uhr, Marquee, Hauptstraße 30, Schöneberg.

Hamburg, die 29. Wichtige Platten werden da von wichtigen Leuten gemacht, seit geraumer Zeit fällt Klappe auf Klappe für Szene auf Szene. Die Sterne funken, rocken, samplen und grooven da in einer Weise mit, die das Recht auf Party mit verfickten neuen wie alten deutschen Zuständen vermengt. Tanz den bösen Adler, doch ein Ich ist auch noch da: Mit ihren zwei Alben versuchen die Sterne in diesem Sud die Schnittstellen genauso zu finden wie die Differenzen und Dissidenzen; eine Suche, die natürlich nicht vor den tiefen Kuhlen der eigenen, alltäglichen Befindlichkeit haltmacht. Die Grenzen zwischen echt und falsch sind jedoch nicht leichter zu ziehen als die zwischen nüchtern und besoffen, weswegen die Sterne solide in (selbstgestellte?) Authentizitätsfallen tappen: „Ich würde lieber wirklich virtuell essen gehen“ oder: „Es ist gefälscht und verlangt, das man es echt sein lassen soll.“ Das sind Sätze, deren Gehalt sich höchstens in den realitätsgesäumten Schwanz beißt. Das ist jammerschade, irgendwie nicht zu ändern; aber arbeiten tun wir weiter an Echtheit und Erkenntnis, und ins Fäustchen lachen wir uns schon gar nicht.

Am 15.9., 22 Uhr, K.O.B., Potsdamer Straße 157, Schöneberg. Gerrit Bartels