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TV-Kritiker umarmen das Fernsehen (Teil 7): „ZAK“  ■ Von Franco Foraci

Ganz gegen die Realitäten des Programmangebots beschäftigt sich die TV-Kritik stets mit dem Neuen. Dabei lebt das Fernsehen von seiner Serialität. Deshalb setzen sich die taz-Kritiker in dieser Serie ausschließlich mit liebgewordenen Altlasten auseinander.

Was, Sie waren noch nie in Belet Huen unterwegs auf der Jagd nach blauen Blauhelmen made in Germany? Sagen Sie bloß, Sie haben nicht den Kopf mitgeschüttelt über das realsozialistische Gartensprengen und sonstige spießige Schweinereien des seligen Honecker im chilenischen Exil? Sie haben auch nicht miterlebt, wie sich Onkel Kohl bei vorgetäuschter Koalitionsrunde im Sexualunterricht an Kleinrudi heranmacht? Dann, wahrlich, haben Sie wirklich etwas verpaßt.

Immer wieder Sonntags nach den „Tagesthemen“ erwartet die deutsche TV-Gesellschaft in ihrem allerersten Programm eine geballte Ladung aufklärerischer Polit-Frechheiten. Unterhaltsam präsentiert. Grenzüberschreitend unverfroren. Schamlos. Kurz: „ZAK – Der Wochendurchblick“.

Allenthalben wird von der wachsenden Politikverdrossenheit gesprochen. Dieses halbstündige Magazin der alten Tante ARD, das im April 1993 in das bundesweite Programm gehievt wurde, greift vorwiegend politische Themen auf und erreicht dennoch traumhafte Einschaltquoten. Das visuelle Konzept der Sendung ist ganz nach dem Geschmack des zapgewohnten Publikums: Schnelle Schnitte, rasante Bildsequenzen und beißende Texte zeichnen die Beiträge aus. Trotzdem bleibt nach jeder ZAK-Sendung beim Zuschauer mehr übrig als ein bunter Bilderteppich. Von der ARD in Auftrag gegebene Studien belegen sogar, daß sich der ZAK-Gucker genausoviel merken kann, wie der aufmerksame Konsument einer „Tagesschau“-Ausgabe.

ZAK – das ist investigativer Journalismus im Videoclip-Format. Zum einen. Zum anderen ist ZAK auch so etwas wie der flimmergewordene Anarchismus im deutschen Journalismus: die radikale Kritik, die als Satire daherkommt; die plakative Meinung, von deren intellektuellem Niveau selbst der Spiegel träumt.

Ohne Moderator Friedrich Küppersbusch wäre der „Durchblick“ bei ZAK wohl nur die Hälfte wert. Mit seinen genuschelten Wortkaskaden hat er sich als einziger öffentlich-rechtlicher Journalist das Recht erobert, unverschämt zu sein – zu seinen Gästen und überhaupt. Kürzlich begann er seine Sendung mit den Worten: „Sabine Christiansen hat eine schöne neue Frisur. Und das ist noch längst nicht alles, was an dieser Stelle gesagt werden muß.“ Das sagt nicht einer, der schmeicheln will, sondern einer, dem keine anderen, schon gar keine journalistischen Qualitäten an der CDU-Quotenfrau aufgefallen sind. Wo im deutschen TV ist solch direkte Indirektheit möglich?

Bei den von den ZAK-Autoren gelieferten Glossen-Beiträgen sind Tabus erst recht fehl am Platz. Es gibt die Schere im Kopf, die muß reichen. Besser, „es wird über das Ziel hinausgeschossen, als daß nur Watte gesendet wird“, findet Küppersbusch. Schon die Geschichte der Sendung wirkt wie eine ZAK- Satire. Den Sprung vom dritten ins erste Programm schaffte das Magazin Anfang 1993 – nachdem es in vier Jahren auf West 3 zur Kultsendung avanciert war – mit einem Trick: Der damalige WDR-Chefredakteur Fritz Pleitgen wechselte einfach das Etikett der Sendung. Um die Programmgremien der ARD nach langjährigem Verhandeln gnädig zu stimmen, präsentierte er das satirische Politmagazin kurzerhand als ein journalistisches Unterhaltungsprodukt. Information brauche anspruchsvolle Unterhaltung, so Pleitgen. Für die privatfernsehgeschädigten Hohlköpfe des ARD-Kader-Apparates erschien ZAK plötzlich interessant.

Und so sendet das ZAK-Team nun auch im heiligen Ersten ungeniert nach der Devise: Erlaubt ist, was verprellt. In einem öffentlich- rechtlichen Proporzladen mit Stagnationsgarantie wie der ARD eine echte Revolution.