■ Lido-Kino
: Pistolero & Razzista

Einigermaßen düpiert zeigte sich gestern der Leiter der Mostra, Alt-PCIler Gillo Pontecorvo, als bekannt wurde, daß Marlon Brando ihn in seiner Autobiographie „Songs my mother told me“ zwar als den „besten Regisseur, mit dem ich je gearbeitet habe“, bezeichnet, aber anfügt, Pontecorvo habe bei den Dreharbeiten zu „Queimada“ stets eine Pistole bei sich getragen, vor Drehbeginn aus Aberglauben Teile des Kommunistischen Manifests zitieren lassen und sich belustigt bis abfällig über schwarze Komparsen ausgelassen. Bis auf die Pistole weist Gillo natürlich alles weit von sich. Für ein klärendes Gespräch mit der taz war Pontecorvo nicht zu erwärmen.

Trüffel Nummer eins des gestrigen Tages war ein Film des neuseeländischen Regisseurs Peter Jackson, der mit der Splatterkomödie „Braindead“ dem Schmuddelgenre ein Ende setzte, nachdem er es gerade noch aufs aparteste durch „Meet the Feebles“ belebt hatte. Neuseeland muß wirklich ein ziemlich erschröckliches Territorium sein. Dieser Jackson also hat nun einen Film für diejenigen von uns gemacht, die früher Oblaten mit Blumendrucken in ihr Tagebuch geklebt, Windbeutel gegessen und Mädchenfreundschaften mit kleinen Nadelstichen in die gegenseitigen Fingerspitzen bekräftigt haben.

Es handelt sich um den real existierenden Fall von Pauline Parker und Juliet Hume, die sich in den fünfziger Jahren auf der Schule kennen- und verwirrend lieben lernen, die Rosen und Hornissen um sich scharen, und eine Horde von Prinzen und Königinnen, die dangeröse Querverbindungen miteinander eingehen. Das Ganze führt in eine Katastrophe, über die hier nichts weiter verraten werden soll. Nach „Heavenly Creatures“ wird einem endgültig klar, wieso „The Piano“ eben doch nicht so gut war.

Peter Greenaway arbeitet an einem Projekt namens „Stairs“, das, so scheint es, die Cadrage, die „Rahmung“, aus „Kontrakt des Zeichners“ mit einer neuen Art, Städte zu betrachten, verbinden und dabei avancierte Filmtechnologie ins Spiel bringen will. Im Frühjahr dieses Jahres hatte Greenaway in Genf eine Ausstellung organisiert, die sich mit dem Thema „Framed Location“, umrahmter Ort, beschäftigt. Während einer Zeitdauer von 100 Tagen waren zu diesem Ende Aussichtstürme in der Stadt verteilt worden, die den Herren und Damen Passanten etwas über das Sehen und Betrachten mitteilen sollten. Dabei wurde natürlich, wie in „Der Bauch des Architekten“ auch immer ein kleines Drama in den Rahmen gespannt. Man sieht, wie in einem Stundenbuch, kleine Fenster, die in eine große Stadtansicht eingefügt sind, manchmal sind es Detailvergrößerungen, manchmal Treppen am gegenüberliegenden Ufer, über die schon mal eine Rothaarige huscht, ein Schatten oder ein Hund. Ist das nun der endgültige Schluß aller Passagenwerke? Im Jahr 2000 jedenfalls will Greenaway, der sich auf der Biennale letztmalig durch eine Ausstellung von Nackten in Glasvitrinen hervortat, mit „Stairs“ in Japan sein.

Der schönste Kurzfilm, den ich je gesehen habe, war „Voilà“, in dem nichts weiter geschieht, als daß ein Mann sich seinen kleinen Sohn schnappt und mit ihm in ein sumpfiges Gelände nahe dem Meer fährt. Dort steht zum Beispiel eine Kuh: „Bonjour, Madame la vache, darf ich Ihnen meinen Sohn vorstellen.“ Als es Abend wird, laufen sie immer noch, schließlich trägt Paps den Säugling auf dem Arm ins Meer, und man fürchtet schon das Schlimmste, aber siehe da: „Ich begrüße dich in der menschlichen Gemeinschaft“, spricht's, gießt dem Kleinen ein wenig Wasser auf den kahlen Kopf setzt ihn ins Auto und fährt nach Haus. Mariam Niroumand