Rückfahrtschein statt Nachtlager

■ Sozialamt: Berber nicht mehr ins Hotel / Protest gegen neue Anordnung Von Sannah Koch

Unruhe im Landessozialamt: Eine Anordnung der Amtsleitung hat die MitarbeiterInnen in dieser Woche in derartige Aufregung versetzt, daß sie am Donnerstag in einem Brief Elisabeth Lingner, Leiterin des Amts für Soziales und Rehabilitation, um zügige Aufklärung gebeten haben. Wenn diese Anweisung befolgt werde, so die SachbearbeiterInnen, sei ihre Arbeit, „die mit viel Motivation und sozialem Engagement durchgeführt wurde, nicht mehr möglich“.

Inhalt der Anordnung: Ab sofort sind Wohnungslose so lange nicht mehr in Pensionen unterzubringen, bis die Aufnahmekapazität in der städtischen Übernachtungsstätte Pik As erschöpft ist. Noch drastischer: Obdachlosen, die neu nach Hamburg kommen, ist keine Unterkunft zu gewähren, sondern lediglich eine Rückreise an den Ort ihres bisherigen Aufenthalts.

Gegen diese Reglementierung melden die SachbearbeiterInnen nun „erhebliche rechtliche und soziale Bedenken“ an. Die Unterbringung der Wohnungslosen im Pik As verhindere den Prozeß der Integration – auch im Landessozialamt wissen die MitarbeiterInnen, wie unbeliebt die Notunterkunft mit ihren 262 Betten ist. In den vergangenen Jahren haben Obdachlose wiederholt bestätigt, daß sie den Schlafplatz unter der Brücke den unerträglichen Zuständen im Pik As vorziehen würden. Ein Grund dafür, daß in der Unterkunft fast immer Betten frei sind.

Nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) muß sich die Art der Sozialhilfe aber immer nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten – daran erinnern die SachbearbeiterInnen jetzt ihre Chefin. Mit der Anordnung werde ihnen jedoch ihr pflichtgemäßes Ermessen unmöglich gemacht. Punkt zwei der Anordnung verstoße noch tiefgehender gegen das BSHG: Darin steht, daß dasjenige Amt Sozialhilfe zahlen muß, in dessen Bereich sich der Hilfeempfänger aufhält. Wenn dieser Ort Hamburg heißt und der Hilfesuchende keine Unterkunft in einer anderen Stadt hat, muß nach dem Gesetz Hilfe gewährt werden.

Amtsleiterin Lingner versteht die Aufregung nicht: Die Anweisungen seien gar nicht neu, erklärte sie gestern auf Anfrage. Auch das Landessozialamt müsse den Mitteleinsatz effektiver gestalten. Dabei habe die städtische Unterbringung schon immer Vorrang gehabt, daran habe man nur nochmal erinnert.

Die Einschränkung für Zugereiste, so Lingner, sei im gesamten Bundesgebiet Praxis. Es gehe nicht an, daß in Hamburg jemand Arbeit sucht und sich wohnungslos meldet, nur um ein Hotel bezahlt zu bekommen. „Wir müssen darauf achten, daß wir hier nicht einen Zuzug von Obdachlosen bekommen“, so Lingner.