Aus einer Wundertüte

■ Jungregisseurin Kalina Skordeva (21) zeigt Marivaux' „Der Streit“ in Bremen: „Für mich ein Zauberstück“

Die Musiker in Marivaux' „Der Streit“ sind für Kalina Zauberer. Zauberer, die im Theater wohnen, die mit ihrer Musik das Licht und ein Dach zaubern, und das Bühnenbild bauen. „Wunderbare Sachen kommen dabei raus“, sagt Kalina Skordeva, die Regisseurin. Bei ihrer jüngsten Produktion hat sie Musikern wie SchauspielerInnen einfach freien Lauf gelassen. Alle haben alle Figuren ausprobiert und gezeigt, was sie aus ihnen machen würden. „Ich guckte mir das erstmal an. Besetzt und geprobt wurde hinterher.“

Fast den ganzen Juli lang hat Kalina Skordeva so mit einem neunköpfigen Ensemble zusammen improvisiert, gespielt, getanzt und gelebt. Zwei Monate hatte sie Zeit, im Schloß des westfälischen Städtchens Lippstadt eine Inszenierung auf die Beine zu stellen. Zwei Monate Probenraum, Kost und Logie und 25.000 Mark Etat beinhaltet das Lippstädter Sommerstipendium für NachwuchsregisseurInnen. An dessen Ende eine Premiere im Lippstädter Stadttheater steht. Kalina Skordeva brachte dort vor einer Woche Marivaux' Komödie „Der Streit“ auf die Bühne. Jetzt kommt sie damit nach Bremen.

21 Jahre alt ist die Jungregisseurin in Lippstadt geworden. Sie hatte sich bei dem bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb beworben, „weil man ja mal anfangen muß. Man muß auch damit anfangen, auf die Schnauze zu fallen.“ Da gehört Mut dazu, oder, wie Kalina Skordeva immer wieder meint, das Glück, das sie schon oft gehabt hat. Vor vier Jahren kam die gebürtige Bulgarin nach Bremen. Allein. Konnte bei einer befreundeten Lehrerfamilie bleiben, machte ihr Abitur. Ein Jahr hat sie gebraucht, um Deutsch zu lernen; sie hat die Sprache gewechselt und gemerkt, wie blöde das ist, weil plötzlich die Worte nicht mehr reichen. Sie wollte aber schreiben, sagt die junge Frau und legt dabei Trauer und Wut in ihre Stirnfalten. „Es ist die Lust am Geschichtenerzählen.“

Und an der Theaterarbeit. Noch in der Schule hat Kalina Skordeva ihr erstes Stück in deutsch geschrieben, „Gefangene Freiheit“, das in Bremen auch aufgeführt wurde. Eine Freundin mußte Kalina dann erklären, was eine „Regiehospitanz“ ist. Diese solle sie erstmal machen, ehe sie in Hamburg an der Kunsthochschule Regie studieren dürfe, hieß es von dort. Die junge Frau klopfte überall in Bremen an und hospitierte und assistierte am Schauspielhaus und bei der Shakespeare Company.

Vom Shakespeare-Ensemble habe sie viel Spaß, Humor und vor allem diesen Zauber mitgenommen. Den wollte sie auch bei Marivaux' „tollem, uralten Streit über Eifersucht und Untreue“ wiederfinden. Die Musik gehört für sie dazu. Wie die Körperarbeit, die Kalina Skordeva in ihrer Kindheit gelernt hat. Fünf Jahre lang hat sie in Bulgarien Eistanz trainiert, „da erfährt man so einiges über Bewegungsabläufe, obwohl ich gerne noch mehr darüber wüßte.“ Professionelle SchauspielerInnen anzuleiten und die Fäden eines fremden Stückes in Händen zu halten, das sei ja schon anstrengend, zumal sie die Zweitjüngste der Crew ist. „Aber einen Nervenzusammenbruch kriegt man nicht, weil man das den Leuten nicht antun kann.“

Trotzdem hat sie die letzten Nächte kaum geschlafen, weil sie ständig überlegt hat, wie „Der Streit“ heute abend im Kito in Vegesack am besten zu arrangieren sei. Im Kito-Dachgeschoß gibt es nämlich keine backstage, nur einen richtigen Ausgang, und ihr Stück lebt doch vom ständigen Kommen und Gehen, vom Experimentieren und den Überraschungseffekten.

Silvia Plahl

„Der Streit“ ist heute, 20 Uhr, im Kito in Vegesack, Alte Hafenstr. 35 zu sehen. Es folgen Aufführungen im Schlachthof. Mit im Ensemble: Karin Winkler; Musik: Dirk Lüking (Kontrabaß), Michael Elvermann (Klarinette), Jacobus Thein (Percussion), alle aus Bremen.