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"Nicht über Planeten reden"

■ Eine Managerin sucht mit Hilfe anthroposophischer Ansätze neue Wege für krisengeschüttelte Unternehmen / Der Mensch im Mittelpunkt des Projektmanagements

Yvonne Macieczyk ist bei der Fluggesellschaft „Swiss Air“ Leiterin der Abteilung für die Ausbildung von Flugbegleitern. 1990 wurde sie von der Firmenleitung beauftragt, ihren Mitarbeiterstamm, der jährlich 2.000 Flugbegleiter ausbildet, von 65 auf 45 zu reduzieren. Angesichts der neuen Aufgabe hielt sie die Zeit für gekommen, sich weiterzubilden. Seitdem ist sie eine Verfechterin anthroposophischer Ansätze im Management.

taz: Frau Macieczyk, Sie reisen gerade als vielbeschäftigte Managerin einer Fluggesellschaft durch die Schweiz, um junge Unternehmer von einer anthroposophischen Denkweise im Management zu überzeugen. Wie ist es zu diesem Engagement gekommen?

Yvonne Macieczyk: Als ich vor vier Jahren plötzlich meine gesamte Abteilung umstrukturieren sollte, stand eine Weiterbildung einfach an. Dabei wollte ich Alternativen zu den klassischen betriebswirtschaftlichen Ansätzen von Unternehmensberatern suchen. Meiner Ansicht nach versagen die meisten dieser Konzepte bei der Umsetzung, weil sie die Menschen nicht einbeziehen. Ich wollte einen Weg finden, bewußt mit meiner Aufgabe umzugehen, Leute nicht zu verheizen. Da erschien es mir naheliegend, mich einem Seminar mit anthroposophischem Hintergrund anzuschließen.

... wovon ihr Arbeitgeber vermutlich nicht hellauf begeistert war. Gab es keinen Ärger?

Ehrlich gesagt haben sie es zunächst nicht so richtig gemerkt, daß die Veranstaltung etwas mit Anthroposophie zu tun hatte. Mittlerweile habe ich mich allerdings durchgesetzt. Das Unternehmen steht hinter mir.

Was machte die Weiterbildung anthroposophisch?

Dort ging man, was im Wirtschaftsleben ausgesprochen unüblich ist, statt von grauer Theorie und leeren Lernzielen von geistigen Zusammenhängen aus. Der Mensch sollte im Mittelpunkt stehen, nicht ein Konzept.

Nun arbeiten Weiterbildungsveranstaltungen aber üblicherweise mit Konzepten. Wie haben Sie dort gelernt?

Nach einem anthroposophischen Ansatz geht man bei jedem Problem oder Projekt, Betrieb oder Unternehmen von einer Initiative aus. Zu dieser Initiative gehören sieben Schritte, unter anderem die Idee, dann die Vernetzung, auftauchende Schwierigkeiten und die Bewährung. Man geht davon aus, daß man ein Projekt hat – irgendeins – und setzt sich Ziele für das Projekt; aber nie, ohne sich die einzelnen Menschen dabei sehr genau anzugucken.

Und das klappt auch außerhalb der Kleingruppe?

Ja. Als ich wieder nach Zürich kam, habe ich dann ganz plötzlich festgestellt, daß das in der Realität tatsächlich so ist. Man fängt irgendwo an und bekommt sukzessive einzelne Schritte vernetzt, fast wie von selbst. Es klingt etwas abgehoben, aber sie können beobachten, wie diese Netze zusammenwachsen. Die Ziele im Projektmanagement werden ihnen ganz plötzlich klar. Dabei arbeiten sie mit Prozessen, mit Zusammenhängen, mit Kommunikation.

Wie hat ihr Mitarbeiterstamm reagiert?

Positiv. Immerhin ist es uns gelungen, jetzt mit 20 Mitarbeitern weniger das gleiche Volumen an Arbeit zu absolvieren. Das erfordert eine Menge Umdenken und Umstrukturierung, und alle haben sehr flexibel mitgearbeitet. Aber natürlich habe ich dort nicht als Anthroposophin doziert und über sieben Planeten geredet. Erst nach einer Weile haben die ersten gefragt, wo mein Konzept herstammt.

Den 20, die sie dennoch entlassen mußten, ist das vermutlich gleichgültig. Haben sie mit ihrem „anthroposophischen Ansatz“ nicht eine harte Politik mit weichen Worten kaschiert?

Wenn Sie es so schwarzweiß sehen wollen, ja. 20 Leute mußten gehen. Ich denke aber schon, daß es wichtig ist, unter welchen Umständen und nach welchen Vorgesprächen. Es ist ein bißchen ein Mythos, daß Anthroposophen immer alle lieb zueinander sind. Tatsächlich gelte ich sicher eher als Hardlinerin, weil ich konsequent, aber ehrlich das durchziehe, was sein muß. Letzten Endes wird das aber akzeptiert. Früher waren wir zum Beispiel eine ganz harmonische Abteilung, aber diese Harmonie war wie ein Wattebausch, der keinen Widerstand leistet. Inzwischen führen wir kurz und bündig ehrliche Konfliktgespräche.

Inzwischen befinden sich auch ihre Mitarbeiter in Weiterbildung bei einem Unternehmensberater und einem Kunstpädagogen mit anthroposophischem Hintergrund. Nützt das den Fluggästen? Dem Unternehmen?

Hoffentlich allen. Es geht doch in erster Linie darum, Werte wie Selbstwert, Eigenständigkeit, Professionalität und Initiativkraft zu verwirklichen. Ich muß doch als Abteilungsleiterin nicht immer alles entscheiden. Das setzt bei mir wieder viele Kapazitäten frei, und damit ist es für das Unternehmen effektiv. Aber auch von Fluggästen hören wir immer wieder, daß unser Personal um so besser wird, je größer die Krise im Flugzeug ist. Das ist sicher kein Zufall.

Auf wieviel positive Resonanz treffen sie bei den jungen Unternehmern, vor denen sie referieren? Die haben doch vermutlich andere Idealkonzepte.

Das ist tatsächlich eine große Frage. Grundsätzlich einmal sind sie völlig anders geschult. Gestern fragte mich einer ständig, „was soll ich denn machen, wenn der dann meint, er könnte ...“ Ich habe dann lange nachgefragt, „ja, was könnte der denn so können?“ Ich glaube, gerade bei jungen Managern ist das Moment des Hochmuts ganz entscheidend. Sie glauben nicht, daß man als Manager auch zugeben kann, daß man Schwächen hat oder überfordert ist. Aber Überforderung kann man nicht nur mit Macht füllen. Man kann auch etwas Positives daraus machen. Interview: Jeannette Goddar

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