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Die fünfte Kolonne der großen Brüder

■ Die ehemalige Sowjetrepublik Moldova will drei Oppositionsparteien verbieten

Budapest (taz) – Bis zum Ende der UdSSR galt Moldova als Bastion der kommunistischen Hardliner. Ehemalige Staatschefs wie Breschnew oder Tschernenko begannen ihre Karrieren in der kleinen Republik an der Nordostgrenze Rumäniens. Da kann es kaum verwundern, daß der letzte Parteisekretär der ehemaligen Sowjetrepublik mit Gewalt gestürzt wurde. Doch die Altkommunisten retteten ihre Macht unter neuem Namen: Die „Demokratische Agrarpartei Moldovas“ (PDAM) und der nur offiziell parteilose Staatspräsident Mircea Snegur herrschen nahezu unumschränkt – obwohl das mehrheitlich von ethnischen Rumänen bewohnte Land schon seit dem Moskauer Putsch vom August 1991 unabhängig ist.

Dementsprechend ist nicht nur von Wirtschaftsreformen wenig zu spüren. Spätestens seitdem die PDAM und das ehemaligen Politbüromitglied Snegur Ende Februar die Wahlen gewannen, wird auch mit politischen Gegnern nicht mehr zimperlich umgegangen. So veröffentlichte die Regierungspresse am Freitag letzter Woche ein an das Justizministerium gerichtetes Gesuch der Staatsanwaltschaft, in dem dieser ein sechsmonatiges Verbot von zwei außerparlamentarischen Gruppen und drei kleineren Parlamentsparteien forderte. Betroffen sind die russophone „Unitate-Edinstwo“ (Einheit) sowie die beiden pro-rumänischen Parteien „Christlich-Demokratische Volksfront“ (FPCD) und „Vereinigter Demokratischer Kongreß“ (CDU).

„Edinstwo“ hat ihre Klientel vor allem unter den zwölf Prozent Russen und den dreizehn Prozent Ukrainern in Moldova. Die Partei fordert eine zweifache, moldovanische-russische Staatsbürgerschaft und die Wiedereinführung des Russischen als Amtssprache. Die FPCD und die aus ihr hervorgegangene CDU treten dagegen für eine Vereinigung Moldovas und Rumäniens ein. Die Konzepte der beiden rivalisierenden Parteien unterscheiden sich lediglich durch den Grad der nationalen Rhetorik und die unterschiedlichen Vorstellungen über den Zeitpunkt der Vereinigung. Mit dieser Ausrichtung auf die beiden „Großen Brüder“ Moldovas begründet die Staatsanwaltschaft ihren Verbotsantrag. Es heißt, Statut und Aktivitäten der drei Parteien seien gegen die Souveränität der Republik Moldovas gerichtet. Im Verlauf der sechsmonatigen „Suspendierung“ sollen „Edinstwo“, CDU und FPCD ihre Statute ändern. Bis dahin dürfen die Parteien weder an Wahlen teilnehmen, noch öffentlich auftreten.

Hinter dem Vorhaben steht offenbar PDAM-Chef Dumitru Moţpan persönlich. Der hatte am letzten Freitag in einem Interview erklärt, eine Opposition, die die unabhängige staatliche Existenz des Landes negiere, sei nichts anderes als eine „fünfte Kolonne“. Schon im Juni hatten die Agrardemokraten in einer großangelegten Aktion Bürgermeistereien, lokale Behörden, das Fernsehen und Zeitungsredaktionen von unliebsamen Funktionären gesäubert.

Mircea Snegur, der seit langem mit Sondervollmachten regiert, hatte die Aktion durch Dekrete abgesichert. Von Informationsfreiheit kann seitdem keine Rede mehr sein: Zwar können auf einigen lokalen UKW-Frequenzen „Radio Freies Europa“ und BBC in rumänisch und russisch empfangen werden. Aber Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften gehören dem Staat und werden vom Parlament kontrolliert. Zudem wurde Moldova seit der Unabhängigkeit bislang noch jedes Jahr im Jahrbuch von amnesty international erwähnt. Dort warf die Menschenrechtsorganisation der Regierung Snegur unter anderem die Nichtabschaffung der Todesstrafe, Mißhandlungen von Häftlingen und Polizeiübergriffe auf Zivilisten vor.

Nach Ansicht der Führer von „Edinstwo“, CDU und FPCD entbehrt das geplanten Verbot ihrer Parteien juristisch jeder Grundlage. Denn die Staatsanwaltschaft berufe sich lediglich auf den Verfassungsartikel 41 über „antikonstitutionelle Vereinigungen“, ohne aber weitere Details zu präsentieren. Überdies hätten alle drei Parteien von ihrem geplanten Verbot nur aus der Presse erfahren. Bisher zumindest hätten weder Staatsanwaltschaft noch Justizministerium ihnen gegenüber Stellung genommen.

Der Chef der KSZE-Mission in Moldova, Richard Samuel, findet nicht nur das geplante Parteienverbot „besorgniserregend“. Die KSZE sei insgesamt besorgt über die Entwicklung demokratischer Institutionen in Moldova. Samuel geht davon aus, daß angesichts des geplanten Parteienverbotes in der moldovanischen Hauptstadt Kišinov die angestrebte Mitgliedschaft im Europarat große Probleme aufwerfen wird. Keno Verseck

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