Ohne Kriegssteuer kein Paß?

Seit Jahresanfang verlangen die bosnischen Konsulate von ihren Landsleuten eine Kriegssteuer / Nach anfänglichem Zögern hat jetzt die Bundesregierung protestiert  ■ Aus Berlin Vera Gaserow

„Wir sind sicher, daß Sie als Patriot Ihres Landes [..] mit Genugtuung diese Verpflichtungen erfüllen werden“, heißt es in dem Schreiben, das das bosnische Generalkonsulat derzeit an alle „sehr geehrten Bürgerinnen und Bürger der Republik Bosnien-Herzegowina“ schicken. Die „Verpflichtung“: eine monatliche Abgabe von 10 Prozent des Nettoeinkommens – zahlbar auf das Konto des Konsulats. Ausgenommen von der Zahlung sind nur Flüchtlinge ohne Arbeitseinkommen, Schüler und Studenten. Seit Anfang des Jahres verlangt die bosnische Regierung diese „Kriegssteuer“ von ihren 140.000 in Deutschland lebenden Landsleuten. Offizieller Verwendungszweck: für „humanitäre Aktionen und die Erneuerung unserer vom Krieg zerstörten Heimat“. Der „patriotischen Verpflichtung“ wird nachgeholfen durch unverhohlene Erpressung: „Denjenigen, die diese Verpflichtung nicht erfüllen, müssen wir sagen, daß auch Sanktionen bestehen.“ Zahlungsunwilligen wird gedroht, konsularische Leistungen verweigert zu bekommen. Im Klartext: kein für die Aufenthaltsberechtigung in Deutschland unerläßlicher Paß, keine Geburts-, keine Heirats-, keine Ausbürgerungsurkunde.

Nachdem Bonn im Vertrauen auf die Angaben der bosnischen Botschaft die Existenz der Kriegssteuer bisher bestritten hatte, wurde gestern der bosnische Botschafter ins Auswärtige Amt gebeten und „mit Nachdruck“ aufgefordert, auf die Zwangsabgabe zu verzichten, da sie gegen das Doppelbesteuerungsabkommen verstoße, das Jugoslawien und Deutschland 1987 unterzeichnet haben. Vor allem die Drohung mit der Verweigerung von konsularischen Leistungen im Falle der Nichtzahlung müsse mit „sofortiger Wirkung“ aufgehoben werden.

Eine rechtliche Handhabe, diese Steuer in Deutschland einzutreiben, hat die bosnische Regierung zwar nicht, aber die Verweigerung eines Passes ist ein wirksames Druckmittel. Die bosnischen Konsulate haben dabei eine gute Kontrolle über Zahlungsunwillige: Da im letzten Jahr die alten jugoslawischen Pässe für alle Bosnier ausliefen, mußten sie sich bei den Konsulaten melden. Seitdem existiert ein lückenloser Datenbestand. Viele Bosnier sehen sich nun in einem Loyalitätskonflikt: „Die Leute fühlen sich erpreßt“, beobachtet Bosilka Schedlich vom Berliner Südosteuropa-Zentrum, „sie sind bereit zu geben, aber nicht unter diesem Zwang. Die Menschen zahlen ohnehin schon unheimlich viel zur Unterstützung ihrer Angehörigen oder für humanitäre Hilfslieferungen.“ Bei der Steuer zweifeln viele Bosnier überdies, ob das Geld wirklich für humanitäre Zwecke verwendet wird.