Ein sinnebetörendes Blütenspiel

■ Mit der Performance „Rosen fangen – anfangen“ startete das Bremer „Tanzwerk“ in seine erste Saison

„Beginnen, commencar, initiare, anfangen“, diese Wortcollage bot den Empfang zu „Rosen fangen – anfangen“, einer Tanzperformance, die am Freitag im Lagerhaus Schildstraße die neue Bremer Tanzstation, das „Tanzwerk“, eröffnete.

Rosen wiesen den Weg die Stufen hinauf, ihr Duft, gemischt mit Zimtgeruch und dem Aroma fremder Gewürze, verwirrte und betörte. Um Wahrnehmung, Sinnlichkeit, um den Augenblick, in dem etwas unmerklich aufhört, und ein inneres Lauschen den Moment des Neubeginns erspürt, ging es denn auch Getraut Schlote, Janine Jaeggi, Martina Kunstwald und Sabine Mariß in ihrer eigensinnigen Produktion.

Und so fängt alles an: mit Warten. Im Gang von Blumenduft eingehüllt. Da gehen die Gardinen auf vor dne Fenstern zum Saal. Gesang ertönt, sphärisch. Zwischen roten Bändern, die den Raum durchspannen, wirbeln rot-orange Frauenkleider. Das Bild verzerrt sich im bruchsicheren Glas, der Moment wird unscheinbar. Fängt's schon an? Nein. Gardinen zu. Das war's schon? Nee, jetzt geht's erst los: Einlaß.

Rot beherrscht den Raum; die Farbe der Sexualität, der Kreativität, des Anfangs. Der gestaltet sich leise: In zwei Ecken des Saales rollen die Tänzerinnen jeweils ein rotes Kreppapierband auf. Ein knisterndes Rascheln kriecht durch den Raum, ein kleiner Dialog stellt sich unmerklich ein: Geräusche des Zögerns, des Fragens, des leisen Triumphes, als eine endlich anfängt. Schnipp, steht sie da, mit einer Schere.

Klipp, klapp. Die andere steht vis a vis. Die übrigen Frauen tanzen, eingesperrt im Karree der Bänder. Das Schnippen wird zur Drohgebärde, die andere Schere bietet Paroli, und schon entsteht dadurch ein fetziger Rhythmus. Mit lustvollem, metallischem Schnitt durch die Bänder schaffen sich die Frauen Raum. Und so wird der Tanz befreit, findet witzige, kindliche, lachende Formen, in denen sich Impulse zu synchronen Figuren mausern. Doch schon schleicht sich ein neuer Impuls ein, und es gibt erneut einen Neuanfang.

Und dann schnüffelt da eine Frau in einem Haufen Rosenblätter, schüttet sich die Hälfte über den Kopf, setzt die ganze Schale drauf und tanzt und tanzt – eingehüllt von den orientalischen Phrasen Sabine Mariß' (Gesang und Bongos). Die Rosenblätter fliegen durch den Raum, eine Spirale entsteht, mittendrin vier Frauen, neckisch, verspielt: im Zentrum des weiblichen Zeichens von Ende und Anfang.

Eine sehr zarte, humorvolle und eigentümlich beglückende Arbeit. Nicht alle ZuschauerInnen jedoch konnten damit etwas anfangen: Manche applaudierten euphorisch, andere verließen irgendwie verständnislos abrupt den Raum.

Marijke Gerwin