Seefahrerromantik für Hungerlohn

■ Drei der größten Windjammer zu Gast beim Hafenfest

Da liegen nun drei der größten und schönsten Segelschiffe im Bremer Hafen und man sieht sie fast gar nicht. An vieles hatte man bei der Vorbereitung des Hafenfestes gedacht, nur nicht an den Tidenhub. So sah man denn zur Hauptbesuchszeit von der Sedov, der Krusenstern und der Khersones in erster Linien Masten und Tauwerk. Um an Bord zu kommen, mußten die BesucherInnen den Abstieg über ein schmales nasses Brett wagen - allerdings mit Sicherheitsnetz über der Hafenbrühe. Trotzdem trauten sich viele über den Steg, um Seefahrerromantik zu schnuppern.

Steht man dann auf einem der über 100 Meter langen Schiffe und versucht Sinn und Zweck der vielen Taue zu ergründen, riskiert man einen steifen Nacken. Denn insgesamt sind es 20 Kilometer Tauwerk, die von den Masten hängen, um Messing- und Holzknüppel geschlungen sind oder in großen Achten auf dem Deck liegen.

Die Sedov und Krusenstern waren einigen der älteren BesucherInnen noch bekannt, sie wurden in den 20er Jahren in Kiel und Bremerhaven gebaut und gingen nach dem zweiten Weltkrieg als „Reparation“ an die Sowjetunion. Die Khersones dagegen lief erst vor vier Jahren in Danzig vom Stapel.

Auf allen drei Seglern wird heute der nautische Nachwuchs ausgebildet. Die Kadetten studieren fast sechs Jahre, wovon sie zwölf Monate auf einem der Schulschiffe verbringen. Ausgebildet werden sie zum Elektromechaniker, Radiotechniker und zum Navigator. Auf den 3-5monatigen Törns kommen sie zwar viel herum, aber ob sie viel erleben, ist bei einer Heuer von 20 Mark im Monat doch fraglich.

Erstaunlicherweise wandern trotzdem Farbfernseher und andere technische Geräte an Bord, die bestimmt nicht von dem schmalen Lohn bezahlt wurden und sicher auch nicht vom Erlös der Lenin-Plaketten und Holzpüppchen, die man auf jedem Schiff kaufen kann. „Dafür bringen die Ikonen aus Rußland mit, die werden dann während der Fahrt an die Gäste verkauft“, erzählt Hermann Feldmann vom Freundeskreis Khersones.

Seit die Großsegler sich weitgehend selbst um ihre Finanzierung kümmern müssen, nehmen sie zahlende Gäste an Bord (Infos 0471-954910). Aus einer solchen Reise ging auch der Freundeskreis der Khersones hervor. „Wir wollten gern unseren Teil dazu beisteuern, daß es solche Windjammer noch lange gibt“, sagt Feldmann. Und in diesem Fall haben sie mit sechs Leuten einiges auf die Beine gestellt: Zehn Tonnen Lebensmittel, 350 Meter Stahlseile unbd Rohre zur Verstärkung der Reling haben sie zusammengebettelt. Wie sie das gemacht haben? „Ach, jeder kannte einen, der einen kannte und der hatte dann einen Cousin.“

kaz / Foto: Christoph Holzapfel