Premiere über dem Südpol der Sonne

■ Die vor vier Jahren gestartete Raumsonde Ulysses nähert sich ihrem Ziel

Hamburg (dpa) – Auf dem ersten Flug eines Raumfahrzeuges über die Pole der Sonne erlebt die in Europa gebaute Sonde Ulysses am Dienstag eine wissenschaftliche Premiere. In einer Entfernung von 350 Millionen Kilometern überquert der vor knapp vier Jahren von der Erde gestartete Kundschafter den Südpolbereich der Sonne. Aus dieser Position über einem Punkt von 80,2 Grad südlicher Breite nimmt die Sonde sehr schnell Kurs zum Sonnenäquator, um Mitte des nächsten Jahres die Nordpolregion des Tagesgestirns zu passieren.

Die Besonderheit der nach der griechischen Sagengestalt benannten Mission Ulysses liegt darin, daß, ein Novum in der Geschichte der Raumfahrt, ein Flugkörper die Sonne in einer über die Pole führenden Bahn umläuft – statt wie alle Raumfahrzeuge zuvor in der Ebene der Erdbahn (Ekliptik). Erstmals erhalten dadurch die Wissenschaftler einen direkten Blick auf die Pole.

Im Vergleich zu den vielen Pannen der jüngeren Vergangenheit in der Raumfahrt wird Ulysses von der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) schon jetzt ein voller Erfolg bescheinigt. Die einwandfrei funktionierenden Instrumente der 370 Kilogramm schweren Sonde von der Größe eines Kleinwagens sendet täglich Daten im Umfang von bis zu 60 Millionen Bits (acht Bits entsprechen einem Buchstaben) zur Erde. Aus ihnen konnten die Wissenschaftler bereits einige wichtige Entdeckungen über die in 27 Tagen um die eigene Achse rotierende Sonne machen.

So stellten die Forscher fest, daß der die Erde mitsamt den übrigen Planeten beeinflussende Sonnenwind über der „Antarktis“ unseres Zentralgestirns schneller strömt als im Äquatorbereich. Mit Überraschung wurden auch sogenannte Stoßwellen als Folge von Zusammenstößen unterschiedlich schneller Teilchenströme dort in den hohen Sonnenbreiten registriert, wo solche Phänomene eigentlich nicht erwartet worden waren. Erstmals spürten die 13 Instrumente an Bord von Ulysses eine aus der Sonne kommende riesige Wolke ionisierten Gases mit einer Ausdehnung von 50 Millionen Kilometern auf.

Ursprünglich sollten sich zur Erforschung der Sonnenpole zwei Sonden jeweils über dem Nord- und dem Südpol gegenüberstehen. Obwohl die USA die für sie bestimmte Sonde aus finanziellen Gründen aufgaben, haben sie den Ulysses-Start mit der Raumfähre, die Hälfte der Instrumente und die wichtigen Sende- und Empfangsanlagen in ihrem „Deep Space Net“ beigesteuert. Und ohne die Amerikaner wäre auch die Fortsetzung der ursprünglich nur bis Herbst 1995 geplanten Mission mit einer zweiten Polrunde über das Jahr 2000 hinaus nicht möglich. Aber erst mit dieser Verlängerung wäre die Beobachtung eines vollen Sonnenzyklus möglich. Während die erste Ulysses-Runde in eine relativ ruhige Zeit der Sonne fällt, hat die Sonde in einer Wiederholungstour mit einer stürmischeren Periode zu rechnen. Rudolf Merget