■ Der Präsident der Krim löst das Parlament auf
: Zwischen Banditen und Abgeordneten

Die Auflösung des Parlaments in Simferopol durch Juri Meschkow, den Präsidenten der Krim, erinnert an die jüngste Geschichte Rußlands. Genau wie der „Oberste Sowjet der Russischen Föderation“ vor seiner gewaltsamen Auflösung im Oktober letzten Jahres hat auch das Parlament der Krim in letzter Zeit alle Entscheidungen der Regierung boykottiert. Gleich nach seiner Konstituierung im Frühsommer bekräftigten die Deputierten die Verfassung der Krim von 1992 und somit die Autonomie gegenüber der ukrainischen Zentralregierung. Der Boykott der Gesetzgeber traf am heftigsten die Privatisierungspolitik des Vizepremiers und Wirtschaftsprofessors Jewgeni Saburow, den sich Meschkow aus Moskau zuzog.

Saburow ist kaum in den örtlichen Filz verstrickt, während die Abgeordneten zutiefst persönliche Schacher-Strategien verfolgen. So haben sie mit Erfolg die sechs größten Sanatorien der Halbinsel dem Zugriff der Regierung entzogen, unter anderem das weltberühmte „Nischnaja-Oreanda“, in dem Meschkow noch residiert. Das sind nicht verrostete Schmieden, wie es sie in Rußland zu privatisieren gilt. Hier stehen medizinisch hochmodern ausgerüstete Heilstätten in idyllischer und umweltgiftarmer Lage, die durchaus MillionärInnen aus aller Welt anziehen könnten. Natürlich sind sie längst in festen Händen.

Deshalb hat der von den Wählern gerade erst abservierte Ex-Vorsitzende des obersten Krim-Sowjets, Juri Bagrow, wieder an Boden gewonnen. Sein Kandidat ist heute der Krim-Milliardär Wladimir Schewjew. Der wiederum gilt als Spezi des inzwischen einflußreichsten kriminellen Bandenführers auf der Halbinsel, mit dem Spitznamen „Räbchen“. Zahlreiche Politiker und Autoritäten der Unterwelt wurden in diesem Sommer auf der Krim „abgeschossen“, in einem Konflikt um Einflußsphären, den „Räbchen“ offenbar gewonnen hat.

Der Präsident auf der Halbinsel hat Repräsentanten der Organisierten Kriminalität schon längst in den eigenen Apparat eindringen lassen. Sein letzter persönlicher Rückhalt ist heute der neue Präsident der Ukraine, Leonid Kutschma, der gegenüber der russischen Bevölkerungsmehrheit auf der Krim durchaus kompromißbereit ist. Er eilte am Donnerstag zum nächtlichen Rendezvous mit seinem Krim-Kollegen nach Simferopol. Noch immer hält ein großer Teil der Krim-Bevölkerung Meschkow für das kleinere Übel. Die Miliz allerdings, die nicht mehr weiß, ob sie Kiew oder Simferopol untersteht, hat schon lange abgedankt. Einen bewaffneten Kampf werden unter diesen Umständen allein die kriminellen Banden austragen. In diesem Fall wäre die Krim-Bevölkerung selbst bald sanatoriumsreif. Aber ob diese Etablissements dann noch stehen? Barbara Kerneck