McDonald's aus der Wolke

Datenübertragung per Satellit und Glasfaser  ■ Von Lorenz Redicker

Eine „Big Idea“ nannte das amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek den Plan von Bill Gates und Craig McCaw – und steigerte so noch einmal die Skala für unternehmerische Erfolgsideen – „idea – big idea – Big Idea“. Anlaß für diesen verbalen Klimmzug ist das Vorhaben der beiden US-Milliardäre, 840 kleine Satelliten in eine erdnahe Umlaufbahn zu schießen. Gates und McCaw, Gründer des Software-Riesen Microsoft und des Mobilfunkunternehmens McCaw Cellular Communications, wollen mit der himmlischen Datenautobahn die Segnungen der Informationsgesellschaft auch in ländliche und unterentwickelte Weltregionen bringen. Mit Satelliten könnten sie fast jeden Punkt auf der Erde erreichen. „Das ist wie McDonald's aus den Wolken“, kommentiert Multimedia-Experte Karl Schlagenhauf vom Software- Haus Adi-Software. Die BigMac- Kultur verbreitet sich über den Information-Skyway.

Der Plan, erst vor wenigen Wochen vorgestellt, bleibt zunächst Zukunftsmusik. Im Jahre 2001 wollen Gates und McCaw die ersten Satelliten steigen lassen. Zweifel sind angebracht: Die notwendige Satelliten-Technik ist noch nicht entwickelt, außerdem fehlt es bislang an Geldgebern. Grob geschätzt zehn Milliarden Dollar müssen investiert werden.

Künstliche Himmelskörper sind die eine Basis für die Information- Highways. Sie verbinden Kontinente und ermöglichen mobile Kommunikation. Technisch sind die Satelliten aber den teuren Glasfaserkabeln noch weit unterlegen. Denn darin rauschen die Bits unfallfrei von Ort zu Ort.

In Deutschland liegen Ende dieses Jahres 1,4 Millionen Faserkilometer unter der Erde. Über eine Milliarde Mark hat die Telekom allein 1994 vergraben. Flächendeckend ausgebaut und europaweit genormt ist inzwischen das Datennetz ISDN, über das Telefonate, Faxe oder auch Btx-Seiten übermittelt werden. Ergänzt wird das Datenautobahnnetz schließlich durch Mobilfunk.

Die Klage über die Mängel der deutschen Telekommunikations- Infrastruktur sind insofern unberechtigt. „Die technischen Möglichkeiten sind da“, gesteht Christoph Hecker, Referent im Fachverband Informationstechnik ein. „Aber der Preis stimmt nicht.“ Deshalb drängen Manager, EDV- Lobby und Politiker bis hin zu Forschungsminister Paul Krüger vehement auf die vorzeitige Freigabe des Marktes und ein Ende der Monopole, möglichst schon im nächsten Jahr. Wenn Wettbewerb bei der Datenübertragung herrsche, werden die Preise wohl sinken, räumt ein Telekom-Sprecher ein.

Das Monopol ist schon jetzt nicht nur im Mobilfunk angeschlagen. Großunternehmen können ihre internen Datennetze (Corporate network) Dritten anbieten. Um dieses Geschäft besser zu nutzen und für den freien Markt gerüstet zu sein, haben die mobilfunkerfahrenen Mannesmänner, der mit langen (Daten-)Leitungen gesegnete Stromversorger RWE und die Deutsche Bank jüngst eine gemeinsame Firma gegründet. Das Corporate network wird Betrieben angeboten, die darüber Zähler ablesen lassen oder elektronische Briefe vermitteln.

Die Telekom forciert derweil den Ausbau ihrer Netze. Auf dem vorhandenen ISDN, meist auf Basis Kupferkoaxialkabel, zockeln die Daten-Lkws mit 64.000 Zeichen (64 Kilobit) in der Sekunde daher. „Das ist keine Autobahn, allenfalls eine Landstraße“, stellt Telekom-Sprecher Werner Lohmüller klar. Möglich ist inzwischen weit mehr. Im April startete ein Versuch mit Datex-M (M für Multimedia). Zwischen zwölf Städten flitzen seither die Daten mit Geschwindigkeiten von bis zu 34 Megabit (34 Mio. Zeichen) in der Sekunde. Auf dem Breitband-ISDN- Pilotnetz zwischen Hamburg, Berlin, Köln und Bonn mit Anschlußstellen in weiteren europäischen Städten sind gar 155 Megabit drin. Möglich macht das neben der Glasfaser der neue Standard ATM (Asynchroner Transfer Modus). Ein Adreßkopf an der Spitze eines Datenpaketes sorgt für Beschleunigung. Für die Zukunft denkt das deutsche Fernmeldeunternehmen gar an Bit-Raten von 2500 Megabit pro Sekunde. Bei dem Tempo verweilt ein zwanzigbändiges Universallexikon weniger als eine Sekunde in der Leitung.

Der Geschwindigkeitsrausch ist nicht immer notwendig. Mit Hilfe der Datenkompression kann eine Videokonferenz über den ISDN- Doppelkanal veranstaltet werden. Dabei werden die Nullen und Einsen, die nur unwichtige Bildinformationen darstellen wie zum Beispiel den Hintergrund, einfach geschluckt. Der Vorteil: Der audiovisuelle Tele-Treff kostet weniger als im Breitbandnetz. Zudem liegt der ISDN-Stecker meist in den eigenen vier (Firmen-)Wänden. Nur dürfen sich die Teilnehmer nicht allzu hektisch bewegen, weil sonst das Bild verzerrt.

35 Milliarden Ecu (70 Mrd. Mark) veranschlagt die Europäische Kommission in ihrem Weißbuch „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung“ für den Ausbau der Netzstruktur in Europa bis zum Jahr 1999. Dazu kommen noch einmal 32 Milliarden Ecu für elektronische Dienste und neue Anwendungen. Um Glasfasern in jeden Keller zu legen, muß noch weit mehr Geld ins Erdreich verschwinden.

Mit ersten Erfolgen forschen deshalb die USA an der Möglichkeit, die Fernsehkabelnetze fit für Multimedia zu machen. Auch in Deutschland wird das Netz mit über 14 Millionen angeschlossenen Haushalten aufgepeppt. 200 Millionen Mark will die Telekom für entsprechende Versuche investieren. Ein Rückkanal macht der einseitigen Kommunikation ein Ende und ermöglicht dem Zuschauer Eingriffe ins Programm. 1996 soll das interaktive Fernsehen und ein Jahr später Video-on-demand, der individuelle Abruf von Programmen, in Deutschland eingeführt werden. Fehlt der Rückkanal, kann er auch durch den Telefonhörer ersetzt werden. Dem Fernsehkabel sind aber Grenzen gesetzt: Komplette Filme en bloc zu übertragen, so daß sie dann am heimischen PC-Fernseher vor- oder zurückgespult werden können, würde allzu lange dauern und das Netz überlasten.

„Datenautobahnen dürfen nicht in Feldwegen münden“, warnte Telekom-Technikvorstand Gerd Tenzer. Sein teures Fernziel: Glasfaser für alle. Die halbe Million Privatanschlüsse in diesem Jahr sind nur ein Anfang. Vor den US-Datenautobahnen ist der Telekom nicht bange. „Was die fordern, haben wir schon lange!“

Der letzte und dritte Teil der Serie über Datenautobahnen kommt am nächsten Montag.