Absolutes Schwarz im grünweißen Freistaat

■ Sachsen wählt Superlative: Schlechteste Wahlbeteiligung bringt bundesweit höchstes Votum für die Union / Bündnisgrüne und FDP nur außerparlamentarisch

Dresden (taz) – Sie wollen es nicht anders: Die Sachsen bewahrten sich ihren Biedenkopf nebst Gattin. Mit jeder Hochrechnung wuchs der Wahlsieg der sächsischen Union zu einem gewaltigen Erfolg heran. 76 der 120 Abgeordneten im grünweißen Freistaat werden das Parteibuch der CDU tragen. Die Opposition kann zuhause bleiben.

Im neuen sächsischen Dreiparteiensystem sitzen neben den Unionsabgeordneten nur noch 23 SPD-Parlamentarier und 21 von der PDS. Zwar freute sich Sachsens PDS-Chef Peter Porsch über den Stimmenzuwachs für seine Partei, im Landtag jedenfalls wird sie mit der von Fraktionschef Klaus Bartl angekündigten „Mischung aus konstruktiver und Oppositionskritik“ gegen gegnerische Bankreihen kämpfen dürfen.

Eisige Stimmung bei den Sozialdemokraten. Den letzten Schock hatte ihnen ausgerechnet ihr Parteivorsitzender und angeblicher Kanzlerkandidat Rudolf Scharping verpaßt, als er in Bonn lauthals verkündete, Biedenkopf wäre ein guter Ministerpräsident. Warum sie dann Karl-Heinz Kunckel wählen sollte, war offensichtlich auch nur wenigen Sachsen während der vergangenen Wochen plausibel geworden.

Was den Sozialdemokraten blüht, will sich der mit 17,1 Prozent gemaßregelte Spitzenkandidat Karl-Heinz Kunckel lieber noch nicht ausmalen. Die bündnisgrüne Bundestagskandidatin Antje Rush weiß nach vier Jahren sächsischer Parlamentserfahrung gegen absolute CDU-Mehrheit Bescheid: „Die arme Opposition wird sich vorkommen wie in einer Gummizelle.“

Koalitionsgespräche haben sich an der Elbe damit erübrigt. Keine schwarz-grüne Exkursion ins Unbekannte, ja, nicht einmal Grün im Landtag. Für Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) wäre Bündnis 90/Die Grünen „ein möglicher Koalitionspartner“ gewesen, der Präsident gab der Fraktion nachträglich das Kompliment, „in vielen Punkten eine Alternative zu anderen Links-Parteien“ gewesen zu sein. Dem Bündnis ist jetzt nicht nach solchen Sprüchen zumute. Gunda Röstel, die Landesvorsitzende, mußte einräumen, daß ihre Partei „seit den Europawahlen von zunächst zehn und mehr Umfrage- Prozenten mehr und mehr auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“ wurde.

Um die Fünfprozentmarke zitternd, mochte niemand darüber räsonieren, ob die unglückliche Debatte über eine mögliche Koalition mit der CDU etliche WählerInnen in die Flucht getrieben haben könnte. Werner Schulz, Bundestagsspitzenkandidat und Urheber des Farbspieles, gab „keine Erklärung“.

Unter die Politiker- und Journalistentrauben im Landtag an der Elbe hatten sich, liebreizender Einfall, auch August der Starke und Gräfin Cosel gemischt. Die beiden Anziehpuppen schmeichelten so noch mal der monarchistischen Note des Biedenkopf-Wahlkampfes. Aufschlußreich ist, daß dieser Kult um „König Kurt“ nicht nur ein sattes Ergebnis für die Biedenkopf-Landespartei brachte, sondern auch einherging mit der bisher schlechtesten Wahlbeteiligung des Wahljahres. Vor vier Jahren gingen 73 Prozent zur Urne; diesmal hielten es nur wenig mehr als die Hälfte der BürgerInnen des Freistaates für nötig: 56 Prozent. Detlef Krell