Anschlag auf Hans Koschnick

■ Von kroatischem Gebiet abgefeuerte Granate verfehlte den EU-Administrator in Mostar

Berlin (taz) – „Ich beuge mich nicht der Gewalt, ich arbeite für Mostar, für die Zukunft der Stadt und der gesamten Region“, erklärte Hans Koschnick, der Administrator der Europäischen Union in Mostar. Trotz eines Anschlages in der Nacht zum Sonntag forderte der ehemalige Bremer Bürgermeister gestern mittag auf einer Pressekonferenz, das Projekt Mostar dürfe nicht gefährdet werden. „Wir Europäer bleiben in Mostar, wir lassen uns nicht erpressen.“

Nach ersten Erkenntnissen der spanischen Unprofor-Truppen und der Polizeiberater der Europäischen Gemeinschaft wurde um 0.30 Uhr eine Handgranate vom Typ RPG-7 von einer Kreuzung in unmittelbarer Nähe des Hotels „Ero“, in dem die Mitarbeiter der EU-Administration untergebracht sind, abgefeuert. Die Granate schlug in einem Raum unmittelbar neben dem Schlafraum Koschnicks ein, der sich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht in seinen Räumen befand. Über die Täter wollte der Administrator keine Spekulationen anstellen. Und auch seine enge Mitarbeiterin Tatjana Volk wies gegenüber der taz Vermutungen über die Herkunft der Täter zurück. „Zweifelsfrei bleibt aber, daß der Anschlag vom kroatisch kontrollierten Gebiet Mostars ausgeführt wurde“, erklärte sie gestern.

Der Ort und der Waffentypus lassen aber durchaus Rückschlüsse auf die Täter zu. Schon seit einigen Wochen hat sich nämlich unter kroatischen Extremisten eine feindliche Stimmung gegen Koschnick breitgemacht. Offensichtlich geht es diesen Kräften in der Stadt gegen den Strich, daß die Administration der Europäischen Union Ernst macht mit dem Vorhaben, die zwischen Muslimen und Kroaten geteilte Stadt wieder Schritt für Schritt zu vereinigen. Nachdem die Installationen für die Wasserversorgung und andere wichtige Teile der Infrastruktur wiederhergestellt wurden, soll am heutigen Montag eine wichtige Brücke über die Neretva zwischen dem Ostteil und dem Westteil der Stadt eröffnet werden. Die Tito- Brücke war schon zu Beginn der Kämpfe zwischen den westherzegowinisch-kroatischen Streitkräften (HVO) und der bosnischen Armee, die am 9. Mai 1993 begonnen hatten, zerstört worden. Das Kriegsziel der kroatischen Seite war es damals, die Muslime von der Westseite der Neretva zu verdrängen. Tausende von Menschen wurden danach gezwungen, in den Ostteil der Stadt überzusiedeln. Die freiwerdenden Wohnungen wurden von kroatischen Flüchtlingen oder HVO-Mitgliedern besetzt. Der bosnisch-muslimischen Seite gelang es jedoch trotz des kroatischen Artillerie-Einsatzes, dem schließlich im Oktober auch die berühmte alte Brücke von Mostar zum Opfer fiel, bis Kriegsende im März dieses Jahres einen Brückenkopf auf der Westseite zu halten.

Nach wie vor ist es das erklärte Ziel der kroatischen Seite, Westmostar zur „kroatischen Stadt“ zu machen. Seit dem Washingtoner Abkommen im Februar dieses Jahres und der Gründung einer kroatisch- muslimischen Föderation in Bosnien sowie der Installation der EU-Administration mußte dieses Ziel jedoch zurückgenommen werden. Für kroatische Extremisten ist damit auch die bisherige Führung der Westherzegowina (Herceg-Bosna) zu „Verrätern“ geworden. Trotz des Anschlags lehnt es Koschnick ab, eine Polizeitruppe der EU aufzubauen. Erich Rathfelder