Beherrscht und begradigt

■ Flußmündungen verkommen zu bloßen Betonlandschaften

Elbe, Weser und Ems waren einst eigenwillige Flüsse. Immer wieder veränderten sie ihre Flußbetten, traten einfach über die Ufer und schwemmten ihre Schlämme dahin, wo sie nicht hin sollten – rein kommerziell gesehen. Eindeichung, Ausbaggerung für Industrie und immer größerer Schiffsverkehr verwandelten das Bild der Flußmündungen. Sterile Kanäle, eingepfercht in Beton, gerade und leblos. Die ökologischen Folgen für Fauna und Flora sind fatal, die Folgekosten schon jetzt nicht zu überblicken.

Gegen den Strom und für die Flüsse wollen von morgen an 300 Naturschützer und Wissenschaftler auf dem 14. Internationalen Küstentag in Hamburg Alternativen zu 100 Jahre falscher Politik entwickeln. „Flußmündungen sind bislang Stiefkinder der Küste und einseitig von wirtschaftlichen Interessen beherrscht und verändert“, erklärt der Wattenmeer-Experte des World Wide Fund For Nature (WWF), Holger Wesemüller.

Seit 1880 hat die Elbe rund 75 Prozent weniger Vordeichflächen, die Weser 50, die Ems 33 Prozent. Nur die Mündung der Oder gilt als halbwegs intakt. Viele Fischarten verloren ihre von Deich und Sperrwerk abgeriegelten Laichgründe, zahllose Vögel ihre Brutplätze in ehemaligen Feuchtgebieten. „Die Flußfischerei auf Weser und Elbe ist zusammengebrochen, in Ems und Außenweser ist die Lage ernst“, bilanziert der Biologe Michael Schirmer von der Uni Bremen. „Alarmierende Ergebnisse“ ermittelte Hermann Michaelis vom niedersächsischen Landesamt für Ökologie: In 13 Ästuaren, so heißen die Übergänge der Flüsse ins Meer, starb die Hälfte der Brackwasser-Tierarten aus. Die Rettung hieße Renaturierung.

Zur Zeit stehen die Zeichen noch auf Baggern ohne Ende. Wegen einer Werft in Papenburg wird die Ems für 7,30 Meter tiefgehende Schiffe ausgebaut. An der Unterweser, in der von 1887 bis heute der Tidenhub von 30 Zentimetern auf vier Meter anstieg, sind 60 Prozent der Ufer mit Deckplatten zugepflastert. In der Elbe wird die „Anpassung“ des Flusses an die Containerschiffe der 4. Generation geplant, also eine Ausbautiefe von 13,5 auf 16 Meter. Und selbst an der Oder bestehen Überlegungen, den Fluß für Berlin „verkehrsgerecht“ zu gestalten. Harro Müller/taz

Am Donnerstag und Freitag können sich Hobby-Umweltschützer auf dem Feuerschiff Borkumriff, das an der Landungsbrücke 7 ankert, über den Wattenmeerschutz informieren.