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Keine Witze aus Spaß

■ Herrchens Frauchen präsentieren heute ihre neue Produktion

In Zeiten, in denen das Volk nach Ablenkung und leichter Unterhaltung lechzt und allerorten die Musicalkultur sprießt, müssen auch überzeugte Kabarettisten umdenken. Lisa Politt und Gunter Schmidt, Protagonisten von Herrchens Frauchen, nähern sich dem Thema allerdings einmal von einer anderen Seite. Statt sich Kostüme anzuziehen und zu tanzen, werben sie für ihr neues Stück Gedankenstrich mit dem Slogan „Garantiert kein Musical“. Was es damit und anderen Gedanken zum Thema Kultur auf sich hat, erzählen sie in einem taz-Gespräch in ihrer Altonaer Wohnung.

Während Lisa (37) schadenfroh über den ersten Kater ihrer 15-jährigen Tochter berichtet, ist Gunter (35) noch damit beschäftigt, den unzähligen greifbaren Katzen die Grenzen bei der Eroberung des Mobilars aufzuzeigen. Nachdem auch der Hund besänftigt ist, nimmt der Mitbegründer und Namensgeber der Schmidtfamilie zum Thema Stellung: „Musical bedeutet, sich hinzusetzen, vollzufressen und nicht nachzudenken.“ Wobei ihn Lisa unterstützt: „Die ganze Stadt versinkt in einer Feierabend-Kultur, es gibt keine Konflikte mehr. Im Kabarett sind Konflikte noch verhandelbar. Nur, wenn ein großer Sponsor dahinter steht, wird's unglaubwürdig.“

Herrchens Frauchen finanzieren sich noch selbst und nehmen dabei auch gern Hilfe aus der Szene in Anspruch (So bei dem Zelt, in dem sie auftreten). „Wir scharen“, erklärt Lisa, „Rudimente einer alternativen Kultur um uns. Im Gegensatz zu früher gibt heute die Industrie die kulturelle Richtung vor. Wenn zu einem Werbespot eine CD erscheint, fragt man sich, was Produkt und was Kultur ist.“

Mit Gedankenstrich versuchen sie, dieser Tendenz gesellschaftskritisch entgegenzutreten. Auf einem Betriebsfest (“Wir haben mal eines gesehen, das war grausam“) tritt, von einer hohen Gage angelockt, eine Kabarettgruppe auf. Angesichts des unpassenden Rahmens streiten sich die Akteure hinter der Bühne – für das Publikum natürlich die eigentliche Show – über die Inhalte des Programms. „Wir sind sehr gespannt“, sagt Gunter, „ob sich die Leute dafür interessieren werden.“

Nach Aussage des Duos Politt/Schmidt, das im Dezember sein zehnjähriges Bühnenjubiläum feiert, wird dieses „Stück über Kultursponsoring“, so die Ankündigung, reichlich Anlaß zum Lachen bieten. Was Lisa gleich wieder einschränkt: „Wer heute noch lacht, ist mir zu blöd. Ich mach' doch meine Witze nicht aus Spaß!“ Und brüllt los! Andreas Dey

Bis 2. Oktober, Zelt auf der Schröderstiftwiese, täglich 20 Uhr, außer Montags

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