Markierter Tausender im Portemonnaie

■ Prozeß gegen Mitarbeiter der Ausländerbehörde / Bestechung war inszeniert Von Kaija Kutter

Sehr aufschlußreich verlief gestern der zweite und letzte Tag im Prozeß gegen den ehemaligen Ausländerbehörden-Mitarbeiter Michael S. Der 43jährige war der „Anstiftung zur Bestechung“ angeklagt, weil er einer Kroatin für 4000 Mark eine Aufenthaltsgenehmigung vermittelt hatte. Da die Ausstellung der Papiere an sich legal war, wandelte der Staatsanwalt die Anklage im Plädoyer in eine „Anstifung zur Vorteilsnahme“ um. Urteil von Richterin Ute Ebert: sechs Monate auf Bewährung und eine Geldbuße von 5000 Mark.

Die Geschichte, die sich dem Gericht durch die Vernehmung der Zeugin Zenica S. offenbarte, gibt Stoff für ein „Tatort“-Drehbuch her. Wurde doch deutlich, daß die Sondereinheit PS 3 zur Ermittlung von Beamtendelikten im August 1993 ein wenig nachgeholfen hatte.

Die junge Kroatin, alleinerziehende Mutter eines 9jährigen Sohnes, kam im Januar vorigen Jahres in Bedrängnis. Weil herauskam, daß sie geschieden war, wollte die Ausländerbehörde ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängern. In ihrer Verzweiflung wandte sich die Frau an die freundlichen Sachbearbeiter S. und R., die stets „so behilflich gewesen“ seien, nun aber just zum Sozialamt Altona gewechselt hatten.

Doch statt deutlich zu machen, daß er nicht mehr zuständig sei, sprach Michael S. von einer „Möglichkeit“, die er prüfen wolle. Ein paar Telefonate später, so erinnert sich die Zeugin, habe einer der beiden ihr angeboten, sie könne die Aufenthaltsgenehmigung behalten, wenn sie 6000 Mark bezahle.

Die drei verabredeten sich zur Geldübergabe in einem Chinarestaurant. Aber inzwischen hatte sich die junge Frau mit ihrem Lebenspartner beraten und es sich anders überlegt - der Bestechungs-Coup kam nicht zustande.

Auf Zureden ihres Anwalts zeigte die Frau den Vorfall bei der Ausländerbehörde an. „Das war die schwerste Entscheidung in meinem Leben.“ Im Beisein von Abteilungsleiter Dr. Quester sei ihr der Vorschlag unterbreitet worden, mit einer fingierten Geschichte noch einmal an Michael S. heranzutreten. Persönlich sei ihr das unangenehm gewesen, „aber nach meinem Gefühl hatte ich zwei Möglichkeiten . Entweder, ich mache das, oder ich habe keinen Aufenthalt mehr.“

Im Beisein von Beamten der PS 3 telefonierte die Kroatin mehrfach mit Michael S., ließ sich auch abends in ihrem Büro von ihm zurückrufen. Sie wolle verreisen und brauche dringend eine Aufenthaltsgenehmigung für ihren Sohn, lautete die konstruierte Geschichte.

„Sie hat mir leid getan“, sagte der Angeklagte Michael S. Er wollte ihr helfen, schon allein, „damit sie nicht mehr so nervte“. Dann habe er bei Sachgebietsleiter Norbert K. angerufen und „vorgefühlt“. Über Geld habe er nicht gesprochen, „aber für mich stand fest, daß der für sowas empfänglich ist“.

Eine zweite Geldübergabe wurde verabredet, wieder in einem Restaurant am Hauptbahnhof, aber diesmal unter Aufsicht der Polizei. Mit Mikrophonen verkabelt und der Direktive, viel zu reden, übergab die Frau dem als Boten fungierenden Dieter B. 4000 Mark und die Papiere ihres Sohnes. B., der sich auch bald vor Gericht verantworten muß, ging ins Biberhaus und kam kurz darauf mit gültiger Aufenthaltsgenehmigung zurück.

Die Unterschrift, so stellten die Beamten fest, die Dieter B. sofort verhafteten, stammte von Sachgebietsleiter Norbert K. Und auch einer der vier Tausendmarkscheine, die die Kripo zur Verfügung gestellt und zuvor fotokopiert hatte, fand sich in der Brieftasche des ehemaligen Vorgesetzten von Michael S. Damit war ein ranghoher Beamter der Ausländerbehörde der Bestechlichkeit überführt. Inzwischen ermittelt die Staatanwaltschaft gegen ein Dutzend Beamte in 280 Fällen.

Übrigens: Bei der richterlichen Vernehmung waren B. und K. geständig. Auch fanden sich zwei der Tausendmarkscheine in den Taschen von Dieter B. Der vierte Tausender ist spurlos verschwunden. Michael S. behauptet, er habe weder Geld bekommen noch gewollt.