PDS in Verantwortung zwingen zwingen“

■ Bremens grüne Bundestags-Kandidatin Beck: Lieber Koalition als Duldung

taz: Sachsen und Brandenburg, zweimal sind die Grünen aus den Landtagen rausgefallen. War die Heirat mit Bündnis 90 ein Fehler?

Marieluise Beck: Nein.

Aber die mobilisieren doch offenbar überhaupt niemanden.

Das ist eine bittere Enttäuschung, daß die Werte von Demokratie und Toleranz, für die die Bürgerrechtler gestanden haben, in der jetzigen Auseinandersetzung verdrängt werden von den aktuelleren tagespolitischen Themen, die sich um den Bereich Arbeitslosigkeit, Wirtschaftspolitik drehen.

Ist das nicht auch richtig so? Wir haben 1994, da ist ein „Bündnis 90“ doch schon vom Namen her ein aussterbendes Modell.

Daß wir diesen Namen beibehalten haben, ist eine Verbeugung an diese Geschichte.

Aber ist es nicht Zeit, aus der Verbeugung wieder hochzukommen und sich dem zuzuwenden, was die Leute heute beschäftigt?

Ja, da kämen wir aber auch als Grüne ohne Bündnis 90 in große Schwierigkeiten. Es scheint wirklich so zu sein, daß ökologische Fragestellungen als Politik für bessere Zeiten angesehen werden.

Und dann kommt das Problem PDS, die in schamloser Weise jedem Milch und Honig verspricht und gleichzeitig nach dem Modell operiert: Wir haben mit dem bösen Staat nichts zu tun.

So haben die Grünen auch mal angefangen.

Aber wir haben uns weiterentwickelt und wissen inzwischen mehr. Eine grobschlächtige Verunglimpfung der PDS, wie sie jetzt von der CDU betrieben wird, ersetzt allerdings nicht die politische Auseinandersetzung. Mit dem Vorwurf, wir wären alle kommunistische Unterwanderer und würden keine Verantwortung tragen, haben wir uns ja auch als Grüne auseinandersetzen müssen. Aber man darf der PDS nicht gestatten, weiterhin die treue Unschuld zu spielen. Sie muß zur Übernahme von Verantwortung über den reinen Protest hinaus gezwungen werden.

Also nicht nur Duldung durch, sondern Koalition mit der PDS?

Vielleicht sogar das. Ich weiß aber, daß das ein Gedanke ist, der für unsere Ost-Grünen zu recht schlichtweg unerträglich ist. Aber man muß auch sehen, daß die PDS-Wähler nicht alle alte SEDler sind, sondern daß sich dort viel Enttäuschung zusammenfindet und man diesen Teil der Gesellschaft nicht einfach ausschließen kann.

Zeigt sich in den letzten Landtagswahlergebnissen nicht auch, daß die These, die großen Parteien würden immer kleiner und die kleinen immer größer, falsch war?

Es ist nicht der Abschied von den Volksparteien, sondern der Abschied von Programmparteien. Offensichtlich gibt es eine Orientierung an Personen, die der Bevölkerung ein Gefühl von Sicherheit und Aufgehobensein vermitteln können. Der eine ist zufällig in der SPD und der andere zufällig in der CDU.

Machen dann die Grünen in ihrem weitgehend entpersonalisierten Wahlkampf einen Fehler?

Unter der Hand macht es sich bei den Grünen schon breit, daß sie von einer Gruppe von Personen repräsentiert werden. Ich finde das auch nicht durch und durch falsch.

Aber nicht nur verschämt unten in der Ecke mit Personen zu werben, sondern gleich richtig groß, gehen Sie noch nicht?

Manchmal ist eine langsame, maßvolle Entwicklung hin zu anderen Vorstellungen sehr viel besser als das brachiale Umschalten.

Fragen: Dirk Asendorpf