Anschlag in Dublin

■ Nordirlands loyalistische Organisationen bomben für den Frieden

Dublin (taz) – Bei einem Bombenanschlag auf einen Dubliner Bahnhof sind gestern mittag zwei Menschen leicht verletzt worden. Der Sprengsatz, vermutlich eine Brandbombe, war im Schnellzug aus Belfast unter einem Sitz versteckt und explodierte, als der Zug in den Connolly-Bahnhof im Zentrum Dublins einlief. Minuten vorher hatte ein anonymer Anrufer eine Warnung durchgegeben. Er sagte, die Ulster Volunteer Force (UVF) – eine protestantisch-loyalistische Organisation, die bereits 1913 gegründet wurde – habe weitere Bomben an sechs Stellen in der irischen Hauptstadt gelegt, darunter im Flughafen, in der Hauptpost und im historischen Zollhaus. Nach einer umfangreichen Suchaktion gab die Polizei jedoch am frühen Nachmittag Entwarnung. Am Samstag hatte die UVF vor dem Haus des Sinn-Féin- Stadrats John Hurl in Derry eine fünf Pfund schwere Bombe gelegt, die aber nicht explodierte. Der militärische Flügel Sinn Féins, die Irisch-Republikanische Armee (IRA), hatte am 31. August einen Waffenstillstand erklärt.

Trotz der erneuten Anschläge gibt es Anzeichen dafür, daß auch die UVF demnächst die Waffen niederlegen wird. In einem Interview mit der irischen Zeitung Sunday Tribune sagte ein Sprecher der Organisation: „Ich glaube, in unserer Gemeinschaft gibt es ein starkes Verlangen nach Frieden, das sich auch in den loyalistischen paramilitärischen Organisationen widerspiegelt.“ Er fügte hinzu, daß der irische Premierminister Albert Reynolds bei dem Friedensprozeß ein zu hohes Tempo vorlege. Sein Treffen mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams vor einer Woche sei Protestanten gegenüber sehr unsensibel gewesen.

Der UVF-Sprecher sagte, es liege jetzt am britischen Premierminister John Major, Nordirlands Protestanten davon zu überzeugen, daß es keine Geheimabsprachen mit der IRA gegeben habe. Deshalb werde die UVF wohl abwarten, bis die Regierungen in London und Dublin in den nächsten Wochen ihren „Rahmenplan“ vorlegen, in dem die Bedingungen für die Verhandlungen über Nordirlands Zukunft festgelegt sind. Vorher rechnet er weder mit einem offiziellen noch mit einem inoffiziellen Waffenstillstand. Der Sprecher fügte jedoch hinzu, daß die UVF-Bombenanschläge nicht gegen Personen gerichtet seien, sondern signalisieren sollten, daß die Loyalisten ein wichtiger Faktor im Friedensprozeß sind. „Wir wollen Frieden“, sagte er, „das wollen wir wirklich.“ Auf die Frage, was in den vergangenen 25 Jahren Krieg erreicht worden sei, sagte der UVF-Sprecher: „Wir haben die Union mit Großbritannien aufrechterhalten.“ Ralf Sotscheck