■ Die Wahlanalyse zeigt: Die Nichtwähler haben gewonnen. Nur die PDS konnte überall reale Stimmenzuwächse erzielen
: Ein Sonntag auf dem Urnenfriedhof

Die Wahlanalyse zeigt: Die Nichtwähler haben gewonnen. Nur die PDS konnte überall reale Stimmenzuwächse erzielen

Ein Sonntag auf dem Urnenfriedhof

Eine „Präsidentschaftswahl“, aber keine Abstimmung über Parteien und Programme sieht Infas in den Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. In der Analyse der Wahlforscher heißt es:

Die Doppelwahl, die hier wie dort zu einem Dreiparteienparlament aus CDU, SPD und PDS führte, war eher eine „Präsidentschaftswahl“ als eine Abstimmung über Parteien und deren Programme. Nicht ein Trend zu dieser oder jener Partei, sondern das Vertrauen in Personen (Biedenkopf und Stolpe) bestimmte den Wahlausgang.

Kennzeichnend dafür sind die besonders hohen Zweitstimmenresultate. So erlangte die CDU in Sachsen bei den Direktstimmen ihrer Parteibewerber in den Wahlkreisen nur 50,4 Prozent, aber 58,1 Prozent bei den Listenstimmen. Die Differenz von 7,7 Punkten kann man als persönliche Stimmen für Biedenkopf deuten. Ähnlich in Brandenburg. Hier betrug der Zweitstimmenvorsprung, persönlicher Ausstrahlung von Stolpe zuzurechnen, 3,9 Prozentpunkte. Die einzige Partei der Opposition, die in Brandenburg wie in Sachsen prozentual zugelegt hat, ist die PDS, wenngleich ihre absoluten Stimmengewinne nur gering blieben. Sie kann sich offensichtlich auf einen stabilen Wählerkern verlassen.

Wie schon Ende Juni bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wurde auch in Brandenburg und Sachsen die „Partei der Nichtwähler“ mit knapp 1,5 Millionen in Sachsen und etwa 850.000 in Brandenburg stärkste Gruppierung. Gegen den Erfolg von Biedenkopf und Stolpe steht somit auch die Wahlverweigerung.

Die unterschiedliche Mobilisierungsstärke trennte in Brandenburg die Sieger von den Verlierern. Trotz der landesweit insgesamt um 200.000 gestiegenen Nichtwählerzahl errang die SPD 90.000, die PDS 30.000 Stimmen mehr als vier Jahre zuvor. Abwanderungen von fast 130.000 ihrer früheren Wähler in die Wahlenthaltung konnte die SPD durch Mobilisierung vormaliger Nichtwähler vollständig kompensieren. Auf dem Konto der CDU hingegen machten die Abwanderungen in die Wahlabstinenz etwa die Hälfte ihrer Gesamtverluste (174.000) aus. FDP (minus 27.000) und Bündnis 90/Die Grünen (minus 42.000) büßten jeweils fast ein Drittel ihrer Wähler von 1990 durch mangelnde Mobilisierung ein.

Mit Ausnahme der PDS (77.000) und den 1994 neu angetretenen „Republikanern“ (27.000) hat gegenüber 1990 keine Partei Absolutstimmen gewonnen. Alle anderen Parteien bekamen den Treck ins Nichtwählerlager zu spüren. Die CDU verlor per saldo knapp 140.000 Stimmen an die Nichtwähler. Diese Einbuße konnte durch Zugewinne aus dem liberalen Lager (26.000) beziehungsweise von der DSU (35.000) nicht kompensiert werden.

Mangelnde Mobilisierung (minus 130.000) war auch die Verlustquelle Nummer eins für die SPD, die zudem noch an die im linken Spektrum mit ihr konkurrierende PDS (minus 28.000) Stimmen abgab. Beim Wähleraustausch konnten die Liberalen nirgendwo zusätzliche Stimmen ergattern, sie verloren in alle Richtungen, am meisten aber durch Wahlenthaltung (minus 42.000 Stimmen) und an die CDU. Das Unvermögen, ihr Potential zum Wahlgang zu motivieren, war auch der hauptsächliche Grund, warum Bündnis 90/Die Grünen den Sprung ins Dresdner Parlament nicht wieder schaffte (minus 39.000 Stimmen).

Keinerlei Mobilisierungsprobleme hatte dagegen die PDS, auch keinerlei Schwierigkeiten, Wähler aus anderen Parteilagern herüberzulocken. Ihr Mobilisierungsplus betrug 10.000 Stimmen, von der CDU wanderten ihr 20.000, von der SPD 28.000 Wähler zu. Selbst von der FDP (6.000) und von Bündnis 90/Die Grünen (8.000) kamen kleinere Wählerströme hinzu.

Die flächendeckende Dominanz der CDU findet ihre Entsprechung in ihrem gleichmäßigen Rückhalt in allen sozialen Gruppierungen. Die sächsische CDU unter Biedenkopf ist eine „Volkspartei“ mit hoher Integrationskraft, sie erreicht auch bei den berufstätigen Arbeitern einen Anteil von über 60 Prozent, kaum weniger als bei Selbständigen und Landwirten. Bei den Arbeitslosen allerdings ist ihr Rückhalt deutlich niedriger, während die SPD in Brandenburg auch bei den Verlierern auf dem Arbeitsmarkt ähnlich hohe Anteile erzielt wie im Wählerquerschnitt.

Bei den arbeitslosen Akademikern liegt die PDS in Sachsen wie in Brandenburg dagegen mit rund 40 Prozent klar an der Spitze. Nicht die PDS ist Sammelbecken aller Einheitsgeschädigten oder derer, die sich als solche Opfer fühlen, vielmehr das große Lager der Nichtwähler. dpa/taz