FDP und B 90 auf verlorenem Posten

■ SPD: FDP-Desaster befördert Regierungswechsel in Bonn / Bündnisgrüne: Heilsamer Schock

Bonn (taz) – Am Tag nach dem FDP- Debakel bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen witterten die Sozialdemokraten gestern mit Blick auf die Bundestagswahl Morgenluft. Die aus beiden Landtagen ausgeschiedenen Bündnisgrünen blickten dagegen krampfhaft nach vorne und interpretierten ihr schlechtes Abschneiden als heilsamen Schock für die Wahl vom 16. Oktober.

Die Sozialdemokraten sehen sich ihrem Ziel nahe, nach zwölf Jahren die Regierung Kohl abzulösen. Ohne die Liberalen, so rechneten gestern SPD-Spitzenpolitiker mit offener Häme vor, hätte der CDU- Chef nach dem 16. Oktober keine Mehrheit. Kohl bemühte sich denn auch öffentlich um Gelassenheit und zeigte sich überzeugt, daß der kleine Partner ins Parlament zurückkehren werde. Der stellvertretende CDU-Fraktionschef Heiner Geißler sprach sich gegen eine Zweitstimmenkampagne seiner Partei für die FDP aus. Es nütze der Koalition gar nichts, wenn die FDP in den Bundestag komme und der Union dann Stimmen fehlten: „Dann haben wir möglicherweise eben doch nicht zusammen die Mehrheit“, meinte er.

Während unabhängige Köpfe in der FDP ihr Entsetzen nicht verhehlten, präsentierte sich die Parteispitze krampfhaft zuversichtlich. Generalsekretär Werner Hoyer hatte schon am Sonntag abend erkannt: „Man darf die Dinge nicht durcheinanderbringen. Die FDP ist im Aufwind.“ Parteichef Klaus Kinkel erklärte gestern, die Ergebnisse aus Brandenburg und Sachsen seien auf die Bundesebene nicht übertragbar. Man sei aber noch nicht in Sicherheit und der Wahlkampf sei für die FDP wie für die Koalition noch nicht gelaufen.

Die Protagonisten von Bündnis 90/ Die Grünen nannten gestern vor allem strukturelle Gründe für das Debakel im Osten und riefen zum energischen Durchstarten auf. Geschäftsführerin Heide Rühle und Vorstandssprecher Ludger Volmer entdeckten im Osten das „Imageproblem“, in moralisierender Weise auf die Vergangenheit fixiert zu sein und die sozialen und arbeitsmarktpolitischen Fragen nicht genügend zu betonen.

Grünen-Zugpferd Joschka Fischer beschwor im taz-Interview die Einheit von West-Grünen und Bündnis 90 und warnte nachdrücklich davor, „einen Krach in der Partei loszutreten“. Für das Scheitern in den beiden neuen Ländern machte er allein strukturelle Defizite verantwortlich. Die Diskussion um eine schwarz-grüne Koalition in Sachsen habe keine Rolle gespielt. Die beiden Landessprecher von Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen, Gunda Röstel und Heiko Weigel, traten gestern wegen ihrer Verantwortung für die schwarz-grüne Zielsetzung zurück. Die von ihnen betriebene Werbung für eine Koalition mit der CDU sei eine der Ursachen für das Scheitern, sagten sie.

Auch bei der PDS herrschte gedämpfte Stimmung. Parteichef Lothar Bisky war sichtlich um Optimismus bemüht. Seine Partei, so erklärte er, sei schließlich die einzige, die in beiden Ländern Stimmen gewonnen habe. Dabei ist ihm durchaus bewußt, daß der PDS noch eine Zitterpartie bevorsteht, denn mit 18,7 Prozent in Brandenburg und 16,5 Prozent in Sachsen konnten die Sozialisten zwar gegenüber dem Ergebnis von 1990 zulegen, doch sie blieben hinter ihren Erfolgen bei Wahlen im Sommer dieses Jahres zurück. Auch in ihren aussichtsreichsten Wahlkreisen errangen sie kein Direktmandat. Hans Monath

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