Der Polizei-Staat im Stadt-Staat

■ Hackmann-Rücktritt: Der Apparat ist schon seit Jahren außer Kontrolle Von Kai von Appen

Mehrere KandidatInnen hatten zuvor dankend abgelehnt, als Werner Hackmann 1988 die Leitung der Innenbehörde übernahm. Korruptionsskandal, Hamburger Kessel und die Pinzner-Morde hatten den Job als Hamburger Polizei- und Innenbehörden-Chef wenig attraktiv gemacht.

Doch auch Hackmann sollte es in den folgenden sechseinhalb Jahren nicht gelingen, sich gegen den Apparat durchzusetzen. Im Gegenteil: Er selbst stellt sich immer wieder vor die Hamburger Polizei, er selbst verfällt dem Corpsgeist-Gedanken, den er jetzt bei den Polizisten so heftig kritisiert.

Denn Übergriffe und rechtsradikale Tendenzen in der Polizei sind seit Jahren bekannt. Am Abend des Hamburger Kessels, am 4. Juni 1986, fielen Beamte des Einsatzzuges Mitte über einen Taxikonvoi her und demolierten mutwillig zahlreiche Droschken. Die Schläger wurden niemals richtig zur Verantwortung gezogen.

Obwohl der Hamburger Kessel vom damaligen SPD-Fraktionschef Henning Voscherau als „staatliche Geiselnahme“ gegeißelt wurde, werden die Bilder von der Einschließung der 860 Menschen von der Polizeiführung später als Lehrfilm an der Landespolizeischule eingesetzt. Motto: So wird–s gemacht.

In den folgenden Jahren trat der Einsatzzug Mitte immer wieder bei brutalen Übergriffen in Erscheinung. Doch Hackmann glaubte seinen Polizeiführern, die die Beschuldigungen als „gezielte Diffamierungen“ bagatellisierten. Selbst als der Einsatzug-Mitte-Beamte Andreas Schellen 1990 in einer taz-Serie den offenen Rassismus in der Einheit anprangerte, geschah nichts. Schellen berichtete über Übergriffe auf Ausländer, von einem Gruppenleiter, der „SS-Runen“ an die Wand malte, Ausländer als „Penner“ und „Bimbos“ bezeichnete und die Kollegen zum massiven Vorgehen gegen „linke Socken“ aufforderte.

Als sich Ende der 80er Jahre Meldungen über Übergriffe von Beamten der Revierwache 16 an der Lerchenstraße – insbesondere der sogenannten „E-Schicht“ – häuften, obsiegte bei Hackmann abermals die Polizeihörigkeit. Noch 1992 erklärte er, nachdem bereits 80 Strafanzeigen gegen die Beamten eingegangen waren, es handele sich um eine „gezielte Kampagne“ von „interessierter Seite“, um die „erfolgreiche Arbeit“ im Viertel zu „diskreditieren“.

Selbst als im vergangenen Jahr „amnesty international“ der E-Schicht des Reviers 16 „Menschenrechtsverletzungen durch gezielte Mißhandlungen“ öffentlich attestierte, versuchte der Polizeiapparat, die Schläger zu decken und die Vorfälle herunterzuspielen. Und das, obwohl die Polizei in mehreren Fällen vom Landgericht wegen „vorsätzlicher Mißhandlung“ von Polizeiopfern zu Schmerzensgeldzahlungen verdonnert worden war.

Nachdem Hackmannn aufgrund des amnesty-Berichts offenkundig langsam nachdenklich wurde und „strukturelle Defizite“ einklagte, hielt ihn die Polizeiführung fortan an der langen Leine. Obwohl Staatsrat Dirk Reimers als Chef der „PS 3“ (Dienststelle zur Ermittlung von Beamtendelikten) von dem neuesten Skandal – dem Überfall auf den Senegalesen Dialle D. – gewußt haben muß, hat er Hackmann offenkundig erst im Mai und dazu noch oberflächlich informiert. Ein Polizei-Insider: „Reimers hat versucht, die Sache zu vertuschen und hat Hackmann ins Messer laufen lassen.“

Der Fall Dialle D. war aber nur noch der I-Punkt auf Hackmanns Rücktrittserklärung. Bereits Anfang vergangener Woche hatte er von einem anderen gravierenden Fall von Ausländerfeindlichkeit in der Wache an der Kirchenallee in St. Georg Kenntnis bekommen – vorgestern lagen endgültig die Fakten auf seinem Tisch (siehe Seite 17).

Hackmanns Versuch, Rückendeckung bei der Polizeiführung zur Durchsetzung von Disziplinarmaßnahmen gegen „Schwarze Schafe“ zu bekommen, scheiterte am Montag mittag. Direktionschef Mitte Richard Peters sowie Staatsrat Reimers verweigerten nach taz-Informationen die Gefolgschaft – Hackmann warf das Handtuch. Seine Einsicht: „Ich habe mich zu lange hinter die Polizei gestellt.“