Vom Werdersong zum Skaprojekt

■ Das Bremer „Weserlabel“: Seit 12 Jahren eine merkwürdige Mischung aus Punkspielzeug und Produzent „obskurer Musik“

43 Eintragungen unter „Weser“ gibt das Bremer Telefonbuch her. Die Nummer des ortsansässigen Weserlabels aber finden wir unter „F“. F wie Fabian, Claus Fabian, Sänger der Punklegende „Die Mimmis“, Kopf, Gründer und Herz des „Weserlabels“.

Nach der Entstehung des Weserlabels gefragt, erzählt Fabian eine amüsante, seltsame Geschichte: 1982 nahmen die „Mimmis“ die Single „Deutscher Meister wird nur der SVW“ auf. Werder war damals jedoch gerade erst wiederaufgestiegen und belegte zur Zeit der Aufnahmen lediglich den zwölften Platz. Kein Wunder, daß keine Plattenfirma so richtig auf die Single ansprang. Folglich gründete Fabian sein eigenes Label. „Und da Punk-Kraftausdrücke damals zwar meinem bevorzugten Wortschatz entsprachen, sich aber nunmal nicht besonders als Firmenname eignen, habe ich das ganze eben “Weserlabel“ genannt. Schließlich liegt das Stadion ja an der Weser.“ Als Werder am Ende der Saison dann zwar nicht Meister wurde, aber immerhin einen sensationellen zweiten Platz belegte, meldete sich plötzlich ein größerer Vertrieb, der die Single an sich nahm.

1984 wurden auf dem Weserlabel dann erste größere Projekte von nicht-Bremer Bands veröffentlicht. Inzwischen existiert dieser Bezug zur Heimatstadt überhaupt nicht mehr, die Firmenphilosophie, die Auswahlkriterien bei neuen Bands beschreibt Fabian so: „Es muß uns in erster Linie Spaß machen, alle Sachen die wir bisher gemacht haben, kamen - so blöd das auch klingen mag - von Herzen.“ In den meisten Fällen sind dies deutsche Untergrundprojekte aus den Bereichen Punk, HipHop oder Ska, jedoch gibt es auch viele - wie Fabian findet - „obskure Produkte“. Im Moment z.B. hört die Belegschaft begeistert von ihnen als solche bezeichnete „Indianermusik“, auch wenn es dafür eigentlich keinen Markt gibt. „Das ist zwar teuer, aber dafür werden damit Reservate unterstützt und das finden wir gut.“

Inzwischen ist das Weserlabel innerhalb von Bremen zweimal umgezogen, denn im ersten Firmengebäude mochten sich weder Label noch Bands so recht mit dem notorischen Brummen anfreunden, das - durch Straßenbahnknotenpunkt und eine schleudernde Waschmaschiene direkt nebenan hervorgerufen - jede Produktion untermalte. Mittlerweile scheint in einer ehemaligen Druckerei der optimale Ort gefunden zu sein.

Ganz so unbekümmert wie in den Anfangsjahren wirft das Weserlabel, das inzwischen vier festangestellte Mitarbeiter ernährt, seine Produkte jedoch nicht mehr auf den übersättigten deutschen Markt, langfristig sollen pro Jahr nur noch zwei Eigenproduktionen entstehen, die man dann aber umso beherzter vermarkten kann. In diesem Punkte gehorcht das ansonsten eher unbeugsame Label dem Markt: Lief die Finanzierung bei Gründung des Labels noch zu 80 % durch den Verkauf eigener Tonträger und zu 20 % durch den Versand von T-Shirts und Label-fremden Platten, so hat sich dieses Verhältnis inzwischen nahezu umgekehrt.

Produkte des Weserlabels fallen besonders durch die stets liebevolle, optische Gestaltung auf. Viele Fotos, Collagen und dicke Book-lets sind die Regel, außerdem werden die CDs ausschließlich in aufwendigen Pappverpackungen, sog. Digi-Packs, verkauft. Die sehen nicht ganz so klinisch aus wie konventionelle CD-Verpackungen und fühlen sich zudem fast so an wie ein gutes altes LP-Cover. Und hören sich zudem auch noch gut an.

Benjamin v. Stuckrad-Barre

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