Politik mit dem Bagger

■ Frauenprojekt Buntentor geräumt

Gebäude abgerissen

Gestern morgen um kurz vor neun Uhr wurde der Ausnahmezustand über den Buntentorsteinweg verhängt: Den AnwohnerInnen zwischen Willigstraße und Rosenpfad wurde untersagt, die Häuser zu verlassen. Selbst eine gut 50jährige Dialysepatientin durfte die massiven Polizeisperren nicht passieren, um ihre kaum aufschiebbare Nierenwäsche im Krankenhaus wahrzunehmen. „Die wollen sich hier doch nur wichtig machen“, schimpft sie aus dem Fenster. „Was hier passiert, ist eine Schande“, ergänzt die wenig jüngere Nachbarin und beginnt zu weinen. „Die Frauen, die da gewohnt haben, waren so nett, immer hilfsbereit.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei bereits sechs Bewohnerinnen des besetzten Hauses Buntentorsteinweg 372 in Handschellen abgeführt. Die überraschten Frauen leisteten keinen Widerstand und wurden für die folgenden Stunden in Polizeigewahrsam genommen. Anschließend durchsuchten SEK, Kripo und Polizei das Haus. Rainer Puckat, Polizeipressesprecher vor Ort, mochte weder zur auffällig hohen Zahl der Einsatzkräfte etwas sagen noch zu der Frage, warum entgegen vorheriger Absprachen im Senat schon jetzt geräumt würde: „Wir sind nur die Ausführenden, nach dem Räumungstermin müssen Sie die Justiz fragen.“

Auch der eigens angereiste leitende Oberstaatsanwalt Hans-Georg von Bock und Polach will mit dem Termin nichts zu tun haben. „Das war keine politische Entscheidung“, weist er indes die Vermutung anwesender JournalistInnen zurück. Es habe einen vollstreckbaren Titel zur Räumung gegeben, dem er sich lediglich angeschlossen habe, um das Haus durchsuchen und zwei Plakate beschlagnahmen zu lassen, denn „hier ist zu Gewalt aufgerufen worden.“

Im Haus wurden mehrere Ausgaben jenes Plakates („Wir können auch anders“) beschlagnahmt, das seit Wochen in der ganzen Stadt zu finden ist. Außerdem wurden zwei Eimer Farbbeutel und „ein Eimer“ (Polizei) oder „einen ganze Truhe“ Krähenfüße sichergestellt, die, so von Bock, aufwendig zu schmieden und als „Aufruf zur Gewalttätigkeit“ auszulegen seien. Ob dies auch auf die im Haus gesammelten Schriften zutreffe, könne erst nach deren Auswertung gesagt werden.

Während der Hausdurchsuchung hatten sich vor den Polizeisperren etwa hundert Menschen eingefunden, um gegen die Räumung des Hauses, das bisher Frauenprojekt, Werktstätten, Café und eine Volxküche beherbergte, zu demonstrieren. Kurzzeitig drohte die Sitution zu eskalieren, die Polizei nahm einen 24jährigen vorübergehend fest. Ansonsten blieb es, abgesehen von einer in Polizeirichtung fliegenden Bananenschale, an sämtlichen Absperrungen ruhig. Auch die schweren Abschleppwagen und drei Bagger fuhren ungehindert bis vors Haus vor. Nachdem drei vor dem Gebäude stehende PKW und zwie auf dem Hof befindliche Klein-LKW durchsucht und abtransportiert worden waren, begann man mit dem Abriß.

„Bremen wird ärmer...“

„Bremen wird ärmer und ärmer“, stellt die gemeinsame Presseerklärung von Kulturzentrum Schlachthof, Netzwerk und VertreterInnen verschiedener Einrichtungen fest. „Nichts hat eine Stadt, eine lebendige Kulturszene nötiger als Menschen, die in Alternativen denken und handeln. Mit der Zerstörung des Frauen-Projektes im Buntentor hat Bremen sich ein lebendiges Beispiel solcher Alternativen genommen.“ Die Reaktion der Libertären Männergruppe hat einen ähnlichen Tenor, allerdings beklagen sie zusätzlich die „die erbärmliche Rolle der Grünen“.

Die aber bestreiten, von der Räumung überhaupt etwas gewußt zu haben. Fraktionssprecherin Karoline Linnert: „Wir sind davon ausgegangen, daß die Absprachen im Senat von der SPD und FDP eingehalten werden. Und da hieß es, man wolle vor der Räumung die für den 29. September terminierte endgültige Entscheidung des Landgerichtes abwarten.“

Die am Nachmittag aus dem Polizeigewahrsam entlassenen Buntentor-Frauen hielten sich aus diesem Parteienscharmützel heraus: „Es geht weiter, mit Sicherheit.“

Dora Hartmann