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Ich hatt einen Kameraden ...

■ Die Innenbehörde ist das Kernstück des Hamburger SPD-Machtkartells / Die Wandsbeker Genossen sorgen für den rechten Korpsgeist Von Florian Marten

Warum gab es in Hamburg bislang keine Große Koalition? Warum ist die Innenbehörde seit Jahrzehnten fest in Wandsbeker Hand? Warum holte sich Henning Voscherau 1988 den Nicht-Wandsbeker Technokraten Werner Hackmann als Innensenator? Drei Fragen, eine Antwort: Für die Macht im Stadtstaat ist die Kontrolle der Hamburger Innenbehörde unverzichtbar.

Schon seit langem haben deshalb Wandsbeker Sozialdemokraten, die heimlichen Herrscher innerhalb der Hamburger SPD, die Innenbehörde zum Bollwerk ausgebaut. Unter dem vieljährigen Innensenator und zweiten Bürgermeister Alfons Pawelczyk, einem Mustertyp sozialdemokratischer Männerbündelei und Kameradschaft, erlebte die Behörde am Johanniswall ihre unbestrittene Blütezeit: „Alfons kann die SPD-Kreisdelegiertenkonferenz Wandsbek“, so lautete ein weitverbreiterer Spott Anfang der 80er Jahre, „komplett mit dem Haustelefon der Innenbehörde zusammentrommeln.“

Der preußische Soldatengeist der Wandsbeker SPD fand dort denn auch ein breites Betätigungsfeld. Für Sozialdemokraten war und ist die Innenbehörde gleich dreifach wichtig: Als bewaffneter Machtfaktor kann sie gegen politische Gegner (Hafenstraße, Demonstranten etc.) eingesetzt werden. Als Quell hochnotpeinlicher Affären muß sie unbedingt unter Kontrolle gehalten werden. Und schließlich: Als Herrin über die Innere Sicherheit kann die SPD ein gemeinhin CDU-durchseuchtes Gebiet mit roten Parteibüchern wappnen.

Als 1987 nach einer SPD-Wahl-Niederlage der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi schon heftig großkoalitionär flirtete, kam das endgültige Njet aus Wandsbek: EIn CDU-Mann als Chef der Innenbehörde – undenkbar!

Der Korpsgeist der Hamburger Polizei, über den Werner Hackmann jetzt so larmoyant klagt, ist zu ganz erheblichen Teilen sozialdemokratisches Eigengewächs: Die Entwicklung der „inneren Führung“ von Behörde und Polizei unterliegt seit Urzeiten strammer Sozi-Hand.

Als Henning Voscherau (Wandsbek!) 1988 Bürgermeister wurde, wußte er, daß er ohne treuen Gefolgsmann am Johanniswall ständig Erpressungsversuchen aus Wandsbek ausgesetzt sein könnte. Er hatte dabei das Schicksal Dohnanyis vor Augen, gegen dessen Willen der damalige Innensenator im November 1987 beinahe Bereitschaftspolizei auf die Hafenstraße losgehetzt hätte, wäre es Dohnanyi nicht gelungen, mit Altvater Pawelczyk noch ein Stillhalteabkommen zu schließen. Hackmann war deshalb Voscheraus wichtigster Trumpf zur Eindämmung der Wandsbeker Macht.

Kein Wunder, daß jetzt, nach Hackmanns Sturz, die alte Wandsbeker Garde schon wieder den Finger hebt und den Johanniswall für sich reklamiert: Elste, Christier. Empfehlenswert wäre sicher auch der brave Wandsbeker Soldat Peter Zumkley, ein Mann, der zwar nie die Polizei in den Griff bekäme, aber auch nie aus eigenem Antrieb zurückträte.

Voscherau dagegen fahndet derzeit verzweifelt nach einer SenatorIn mit einem Eigenschaftenprofil, das schier übermenschlich ist. Wanted: Ein Mensch, der die verschiedenen Augiasställe im Strohhaus und am Johanniswall ausmisten kann, sich als wandsbek-resistent erweist und eine 200prozentige Loyalalität gegenüber Voscherau verspricht.

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