Im Zweifel für die Abschiebe-Haft

■ Ausländerbehörde: Überreaktion und restriktive Gesetz-Auslegung sind die Regel

Abschiebung, obwohl acht Jahre mit einer Deutschen verheiratet gewesen. So lautete das Resultat einer Überprüfung des Aufenthalts von Dialle D., die mit freundlicher Unterstützung der Polizeidienststelle PS 3 stattfand (taz berichtete). Die Begründung dafür - eine restriktive Auslegung des Gesetzes - paßt nahtlos in die täglich Praxis einer Behörde, deren Credo heißt: Im Zweifel für Abschiebung. Kaum eine Behörde hat ein solche feindliche Haltung zu ihrer Klientel, bei manchen Beamten herrscht eine regelrechte Reinlege-Mentalität vor.

Hier einige Beispiele aus den vergangenen Monaten:

Dienstag früh, wenige Stunden nach Werner Hackmanns Rücktritt, wird der 18jährige Emil Diaconescu im ersten Stock der Ausländerbehörde vor den Augen des Waldorfpädagogen Gottfried Schürer in Handschellen gelegt und abgeführt. „Wir sind dort in keiner Weise fair und korrekt behandelt worden“, beschwert sich der Lehrer für Deutsch und Geschichte. „So etwas ist mir noch nicht passiert“. Am Tag zuvor hatte er zusammen mit seinem Schützling fünfeinhalb Stunden vergeblich in der Amsinckstraße gewartet, um sein Anliegen vorzutragen. „Aber die haben mir ja nicht zugehört. Die haben mir nur die Papiere aus der Hand gerissen und uns warten lassen“. Gottfried Schürer hatte den jungen Rumänen, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, überredet, freiwillig in seine Heimatstadt Bukarest zurückzukehren. Schürer: „Ich wollte ihm monatlich Geld schicken, damit er dort sein Abitur machen kann.“

Aber die Beamten der Ausländerbehörde hatten für solch eine gütliche Regelung kein Ohr. Als Gottfried Schürer am Dienstag mit dem jungen Mann wiederkam, wurde dieser vom Fleck weg verhaftet und ins Untersuchungsgefängnis Holstenglacis gebracht. Schürer bekniete daraufhin die Haftrichterin, um wenigstens einen Besuchstermin zu bekommen. „Ich muß dem Jungen ja noch seine Sachen bringen. Und etwas Geld. Damit er in Bukarest nicht völlig nackt dasteht.“ Fürsorgliche Gedanken, die in der kalten Welt der Ausländerbehörde stören.

21. Mai: Ahnungslos betritt die 26jährige Theresa A. die Ausländerbehörde. Die Polin will ihren Aufenthalt verlängern. Sie weiß nicht, was die Behörde weiß: daß ihre Petition längst abgelehnt wurde. Sie wird in Handschellen abgeführt und am selben Tag nach Danzig abgeschoben. Zurück bleiben ihr Ehemann und die verstörten Kinder – zwei und vier Jahre jung.

31. Mai: Vor den Augen ihrer Sozialarbeiterin wird die 16jährige Martide Achie in der Ausländerbehörde in Handschellen abgeführt und ins UG gebracht. Die Afrikanerin war vom Sozialamt aufgefordert worden, dort vorzusprechen. Erst auf Druck ihres Schulleiters kommt sie eine Woche später frei.

21. Juli: Mutter und Söhne der bulgarischen Familie A. werden in Handschellen aus dem Pavillondorf Steilshooper Allee abgeführt. Der Vater soll sich mit Papieren in der Amsinckstraße melden. Über die Klage gegen die Abschiebung ist noch nicht entschieden. Am nächsten Tag wird abgeschoben.

1. August: In der Wohnung seiner Frau wird der Gambier Christoph verhaftet und in Abschiebehaft gesteckt. Die Ehe soll nicht anerkannt werden, weil in Dänemark geschlossen. Erst nach vier Wochen kommt er wieder frei.

17. August: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, daß der Schutz der Familie über dem Ausländerrecht steht. Folge: Der Familienvater Karim Baran kommt nach vier Wochen Abschiebehaft frei. Die Ausländerbehörde wollte ihn ausweisen, obwohl er gemeinsam mit einer Deutschen ein Baby hat.

8. September: Nur wenige Stunden vor Abflug wird die Abschiebung von Hüseyin Bataray vom Gericht gestoppt. Nun wird der Fall des in der Türkei politisch verfolgten Kurden neu geprüft. Bataray saß drei Monate in Abschiebehaft. Kaija Kutter