Ins Fegefeuer der Carrera!

■ Der Traum des Borgward-Schmieds: Mit der Isabella bei der „Carrera Panamericana“

Allein schon die Farbe: elfenbein! Einfach endgültig für ein Auto wie dieses. „Halt!“ sagt Herr Wischnewski, „Dover-weiß!“ Von Herrn Wischnewski wissen wir vorläufig dreierlei: daß er eine Kfz-Werkstatt in Achim betreibt, daß er einen Augenschmaus namens „Borgward Hansa 1500 genannt Isabella“ in Dover-Weiß besitzt und daß er Blutgruppe B+ hat. „B+“ ist auf die Flanke der Isabella gepinselt, „Reglement“, sagt Herr Wischnewski.

Dann steht da noch „W. Wischnewski, pilote“, und auf der Beifahrertür steht „V. Wischnewski, co-pilote“, denn Wolfgang und Volker, sein Sohn, sind Piloten. Vom 28. Oktober bis zum 3. November jedenfalls. Da rasen sie mit ihrer genau 40 Jahre alten Isabella um die Kurven der legendären „Panamericana“ im Mexiko, weil sie an einem genauso legendären Rennen teilnehmen: Der „Carrera“, von der ein gewisses Zahnärzteauto seinen Namen hat.

1950 wurde dieses Rennen „durchs Fegefeuer der Carrera“ zum ersten Mal gefahren, und es war mörderisch: bar jeden Reglements kam es darauf an, die 3070 km von der guatemaltekischen Grenze bis Nuevo Laredo nahe Texas möglichst schnell und egal wie hinter sich zu bringen. Schlimme Unfälle und sogar Tote waren eine Folge, was dazu führte, daß die Carrera 1954 zum letzten Mal standfand. Damals fuhr eine Isabella mit; und belegte einen noblen Mittelplatz in ihrer Klasse, gegen stärker motorisierte Konkurrenz aus Italien (Alfa).

Vierzig Jahre ist das her. Seit 1988 gibt es die Carrera wieder, mit strengen Auflagen. Und seit 1994 ist auch eine Klasse für Alte eingerichtet, die „Historic Class“. Da dürfen nur Modelle mit, die schon in den 50ern mitgefahren sind.

Schon das ein Jubiläum also. Weil aber 1954 auch die erste Isabella gebaut wurde, ist das auch vierzig Jahre her. Und weil Herr Wischnewski 1954 seine Lehre bei einer Borgward-Niederlassung in Dorfmark (Lüneburger Heide) antrat, gibt es noch mehr zu feiern heute. Die Teilnahme an der Carrera ist also ein selbstgemachtes Jubiläumsgeschenk. Und natürlich die „Erfüllung meines Jugendtraumes“.

Träume kosten meistens Geld. Was dieser kostete, will Herr Wischnewski, der oft so träumerisch in die Ferne blickt wie ein Seemann, lieber nicht sagen. Das Neufahrzeug kostete seinerzeit 6.800 Mark; Herr Wischnewski aber fand nur einen Haufen Schrott in einer Zevener Scheune, aus dem er mit viel Zeit und Geld einen Schmuckstück gemacht hat (Wert heute an die 18.000 Mark). Die Teilnahme am Rennen kostet locker 3.000 Dollar, Fracht etc. ein Mehrfaches.

Die ganze Familie war zuletzt im Isabella-Fieber, alle Samstage und Sonntage und Mitternächte gingen dafür drauf, und in der Woche wurde das Geld verdient. Jetzt hat das rennmäßig mit Feuerlöscher, Hosenträgergurten und Überrollbügel ausgerüstete, ansonsten ganz originalgetreue Auto seine ersten 2.000 Probekilometer hinter sich. Läuft wie geschmiert. Braucht 8 bis 9 Liter Normal bleifrei - wo ist eigentlich der technische Fortschritt?

Solche Fragen hören Wischnewskis gern. Da singen sie das Lied vom Borgward, wie es überall in Bremen zu hören ist, vom Dolchstoß der Banken und davon, daß „das Auto einfach zu gut war“.

Herr Wischnewski, der immer Borgward fuhr, seit er sich das leisten konnte (seit 1963), ist ein erfreulich nüchterner Mann, was seinen chromglänzendes Oldtimer angeht: „Ein Borgward ist kein Ausstellungsstück, der muß laufen!“ Das hat er auch einem Teilehändler gesagt, der ihm rare Ersatzteile für den Renneinsatz nicht geben wollte.

Jetzt wird das Auto eingepackt und über Bremerhaven nach Vera Cruz verschifft. Die beiden Wischnewskis folgen am 23. Oktober. Und wenn dann der Startschuß fällt, heißt es für die einzigen Deutschen im alle Klassen zusammengenommen 150 Fahrzeuge starken Feld: Hauptsache ankommen. Mit den dürftigen 60 Bremer PS wäre ein Mittelplatz schon toll. Die beiden Schrauber sehen ihre größten Chancen in den Problemen der anderen. Ein Wischnewski nämlich baut notfalls mit dem 14er Maulschlüssel den Motor aus - und erlaubt sind unterwegs nur Bordmittel.

Burkhard Straßmann