: „Ich bin keine Wohlfahrtstante“
■ Nach der Räumung stehen die Grünen im Zentrum der Kritik / Linnert: „Wir wurden von den Koalitionspartnern ausgetrickst“
Karoline Linnert, Fraktionssprecherin der Grünen, hat sich vergeblich mit Ursel Kerstein um das Frauenprojekt am Buntentorsteinweg bemüht. Dafür gabs Schelte von den ehemaligen Besetzerinnen. Zu Recht?
taz: Beim Konflikt um das besetzte Haus in der Grünenstraße haben die Grünen gesagt: „Mit uns wird es keine Räumung in dieser Stadt geben.“
Karoline Linnert: Unser Ziel war immer, die Räumung zu verhindern.
Damals habt ihr euch aber eindeutiger gegen die Räumung ausgesprochen.
95 Prozent in dieser Stadt hatten nichts anderes vor, als dieses Projekt kaputt zu machen. Die 5 Prozent, die wir verkörpert haben, sind nun schuld daran, daß das Projekt geräumt wurde. Ich bin es wirklich leid. Ich habe alles getan, was ich konnte, um dieses Projekt zu retten. Es ist mir dabei nie gelungen, eine Vertrauensebene mit den Frauen aufzubauen. Wir waren immer diejenigen, die mit offenen Karten gespielt haben, während die Frauen Ursel Kerstein und mich halbherzig in Verhandlungen getrieben haben. Es war überhaupt nicht klar, wer von denen noch eine friedliche Lösung wollte. Da halten sie sich eine Option „Wir können auch anders“ offen, gleichzeitig wurden Möglichkeiten boykottiert, zu einer Verhandlungslösung zu finden. Dieses idiotische Plakat, dieses dumme –den Petitionsausschuß nicht reinlassen' – jetzt laß ich mich nicht auch noch anpinkeln.
Warum haben die Verhandlungen in der Grünenstraße geklappt?
Man muß einfach zur Kenntnis nehmen, daß es auch in Bremen eine Rechtsentwicklung gibt. Bei der Grünenstraße herrschte insgesamt ein liberaleres Klima. Da haben Leute mit viel Einfluß versucht, das zu ihrer Sache zu machen. Wir haben nie so alleine gestanden wie beim Frauenprojekt. Und ich kann den Frauen am Buntentorsteinweg den Vorwurf nicht ersparen, daß sie gravierende Fehler gemacht haben.
Heute morgen hieß es, die Grünen hätten keine Alternativen geboten, abgesehen vom Asylschiff und einer Containeransiedlung für Flüchtlinge.
Die Grünen können keine Alternativen anbieten, die können höchstens versuchen, die Verwaltung dazu zu bewegen. Frau Uhl hat den Frauen eine Ersatzunterkunft versprochen. Das Angebot in Huchting haben sie abgelehnt. Was die Frauen sich gewünscht haben, innenstadtnahe Räume für Wohnen und Werkstätten, das gibt es nicht zuhauf. Weil klar war, daß in der Verwaltung keiner den Finger krumm macht, habe ich den Frauen mehrere Vorschläge gemacht. Unter anderem das Asylschiff, was stillgelegt wird. Dann habe ich beantragt, ob man nicht nochmal den Standort Wardamm, eine ehemalige Asylberwerberunterkunft, prüfen kann. Aber die Frauen haben auch das abgelehnt unnd haben selbst nicht einen einzigen Vorschlag gemacht.
Wenn die Grünen über den Abriß so empört sind, sagen die Frauen jetzt, wollen wir mal sehen, was die zu bieten haben.
Ich hab überhaupt nichts zu bieten. Leute, die uns nur anpöbeln, für die alles, was wir für sie getan haben, im Grunde nur Scheiß ist, die sich nicht scheuen, mit Unwahrheiten zu arbeiten, für die mach ich irgendwann überhaupt nichts mehr. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, daß man die Frauen in dieses Verhalten reingetrieben hat, aber ich bin nicht die Wohlfahrtstante dieser Stadt. Die Ausgangslage, etwas hinzukriegen, haben sie selbst seit einem Jahr permanent verschlechtert.
Wie wird eure zukünftige Politik aussehen, nachdem ihr von der SPD und FDP zu Papiertigern degradiert worden seid?
Erstens: Wir werden fürchterlich unter Druck geraten nach dem, was heute nacht passiert ist. Scheiben eingeschmissen, Reifen zerstochen... Außerdem hat man bei den Frauen alles mögliche gefunden, das sich publikumswirksam ausbreiten läßt. Und es gibt massive Hinweise darauf, daß gewalttätige Aktionen zum 3. Oktober in diesem Haus geplant worden sind. Zum zweiten: Wir wurden von den Koalitionspartnern ausgetrickst. Das ist uns schon häufiger passiert. Ich weiß nicht, was wir tun werden. Für den 3. Oktober jedenfalls sind die Voraussetzungen wunderbar, daß die Sache eskaliert. Und daran wird kräftig gestrickt.
Fragen: Dora Hartmann
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