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Durchs DröhnlandCall it mainstream

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Nachdem zusammen mit den holzfällernden Ziegenbärten eine Angelegenheit wie Rriot Grrlism aus Amerika nach England rüberschwappte, raffen sich auch dort mehr und mehr Frauen auf, positionieren sich, gründen Bands und machen Rock- und Popmusik. Schnell wurden Feinheiten und diverse Subnischen ausgebildet, und mittlerweile will sich kaum eine dieser Bands auf das automatisierte, leerlaufende Label „rriot grrls“ festnageln lassen. Huggy Bear machen da keine Ausnahme, die haben zwei Männer in der Band und sind trotzdem radikalfeministisch: einmal wurde Männern der Einlaß bei einem ihrer Konzerte verwehrt, ein andermal pinselten sie auf selbstgestaltete Plakate übermütig Boy Fuckin' Rock!. Ihre Musik schlingert zwischen schnellen, melodiösen, eins, zwei, drei Punk-Songs und verqueren, fast unhörbaren Noise- Rock-Spielereien. Huggy Bear sehen sich weniger als Band als eine großsprecherische, wirkungsvolle Aktion. Event! Event! kein schnödes Rockkonzert. Mal abwarten.

Heute um 21 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg.

Toad The Wet Sprocket aus Santa Barbara in Kalifornien haben sich dem fein-arrangierten, hochmelodiösen, „guten“ Song verschrieben, einer Angelegenheit also, die heutzutage kaum noch Teens oder Twens hinter Turntables und Basketballkörben hervorlockt. Butterweiche, harmonische Balladen laufen aus dezent-wohlgesetzten Gitarrenriffs, und die sind oft so langweilig, daß man sich per Kniff in die Backe vergewissern muß, nicht doch beim Abwasch oder Staubsaugen zu sein. Call it mainstream, der beim Hören immer wieder aus den Öhrchen glitscht. Toad The Wet Sprocked machen erfolgreiche Durchgangsmusik, spielen Schnullen- und Nullen-Rock, der bestens geeignet ist, dem erschöpften Broker ein paar aalglatte, nicht schmerzende Momente zu bescheren. Würde in Ellis' „American Psycho“ eine gute Ergänzung zu den Bandbesprechungen von Huey Lewis, Whitney Huston und Phil Collins abgeben, erinnert zumindest in besseren Momenten an die beliebte englische Frühachtziger-Kapelle „The Sound“.

Am 19.9. um 20.30 Uhr im Loft im Metropol, Nollendorfplatz 5, Schöneberg.

Ihr Mentor und Entdecker ist Barry Adamson, Ex-Bad-Seed und Soundtracktüftler für Filme, die es noch gar nicht gibt. Beeindruckt von ihrem madrigalen Gesang auf der Portobello Road, holte er sie direkt von der Straße ins Studio. Ihr Label heißt Mute, wo es nicht nur Schwerindustrie, Depeche Mode und Nick Cave gibt. Auch die horrible, schwarzweiße, spinnerte und leicht verdrehte Elfenmusik von Miranda Sex Garden paßt ganz gut dahin, und das führte bisher zu vier Alben, die sie „Madra“, „Iris“, Suspira“ und „Fairytales of Slaves“ nannten. Und sonst? Fistelige Stimmen schneiden eisblumig durch jeden ihrer Songs, Songs, die so angelegt sind, daß man in zahlreichen, soundcollagigen klassisch anmutenden Zotten und Krypten hängenbleibt und sich nur schwer daraus befreien kann. Dunkel und ein wenig gothic, darf ein Hoch auf das ornamental-gepflegte Stilleben angestimmt werden – oder auf das Gelbe vom Ei, puh. Manchmal möchte man denen einfach nur einen Tritt in den Arsch geben, damit mal die Post abgeht.

Am 20.9. um 20.30 Uhr im Loft.

Man entdeckt die Dinge durch die Erinnerungen, die man daran hat; das notierte Cesare Pavese am 28. Januar 1942 in sein Tagebuch. So müßten die seit vier Jahren verblichenen Go Betweens eigentlich noch einer intensiveren Wieder- oder Neuentdeckung harren als bisher, denn sie haben uns eine Zeitlang durch die Postpubertät begleitet, wurden geliebt und hoch geschätzt. Wer sie mochte, der oder die konnte kein schlechter Mensch sein, hieß seinerzeit ein zwar geflügelter, aber sehr stimmiger Ausspruch zu ihnen und ihrer Musik. Was sich natürlich auch zu Ex-GoBe Robert Forster sagen läßt, der seit dem Split auf Solopfaden singert und songwritert. Das macht er mal ganz rauh und loneley, calling from a countryphone halt manchmal, aber wie in vergangenen Tagen p!o!p!orientiert – und dann schimmert beim Hören seiner Songs immer ein wenig die nie versiegende Liebe durch, traurig, wehmütig, sentimental. Mit seinem letzten Album hat er kürzlich den Spieß umgedreht und sich seinen musikalischen Einflußgebern gewidmet, seinen Helden die Ehre per Coverversion erwiesen, den Guy Clarks, Grant Harts, Bob Dylans, Martha & The Muffins und einigen mehr. Und die klingen leider eine Idee zu zwanghaft, zu bemüht, zu wenig zwingend; da soll man doch dem Schuster die Leisten lassen, die ihm gebühren. Funktioniert einfach besser, denn Forsters Eigenkompositionen sind noch immer die schönsten der Welt, oder?

Am 20.9. um 21 Uhr im Knaack- Club.

Sie gehörten vor einiger Zeit zu AmReps Most Wanted, Surgery, die höllenmäßig gut draufen Jungs, deren Bandname allein ihren Sinn für die starken Seiten des Leben dokumentieren sollte. Stark war ihr irrer Post-Hardcore, der die alten Wirrungen von Black Flag auf neue Spitzen treiben wollte, noch schneller, noch elender, noch baßlastiger, und trotzdem ausgeglichene Spannung in den gitarrenorientierten Schweben haltend. Das interessierte auch die Industrie, und ruck-di-zuck waren sie auf einem Major. Zu früh, wurde geunkt, und irgendwie ist in der Tat seitdem nicht viel passiert, haben Surgery trotz ein paar Miniveröffentlichungen nie zu einer konzentrierten Schaffenskraft gefunden, sind sie ihrem unruhigen, ungesunden, Musik und Leben verbindenden Stil treugeblieben. Livehaftig.

Am 21.9. um 21 Uhr im Huxleys jr., Hasenheide 108–114, Neukölln. Gerrit Bartels

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