Keine Spaltung, aber größere Differenzierung

■ Grünen-Abgeordnete Judith Demba zum Streit in ihrer Partei Bündnis 90/Die Grünen

taz: Die Bündnis-90-Bundestagsabgeordneten Konrad Weiß und Gerd Poppe haben für das Wahldebakel in Brandenburg und Sachsen die West-Grünen verantwortlich gemacht. Konrad Weiß schloß sogar eine Spaltung der Partei nicht aus. Ein reiner Bonner Konflikt?

Judith Demba: Wenn Weiß und Poppe den West-Grünen vorwerfen, im Osten mit den falschen Themen Wahlkampf gemacht zu haben, stellt sich doch die Frage, warum haben sie nicht selber die richtigen Themen besetzt. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß etwa Konrad Weiß sich in der Vergangenheit mit sozialen Themen im Bundestag besonders hervorgetan hätte. Mir kommen die beiden vor wie eingeschnappte Kinder.

Das heißt, der Vorwurf der West-Grünen stimmt, daß sich das Bündnis 90 im Osten kaum mit sozialen Themen beschäftigt und statt dessen nur Vergangenheit bewältigt?

Das kann man sicher nicht so pauschal für jeden einzelnen sagen. Aber richtig ist, daß sich das Bündnis 90 in den letzten Jahren vor allem als schlechtes Gewissen der Ex-DDRlerInnen profiliert hat. Und obwohl viele Mitglieder gerade im Wahlkampf die Themen Arbeitsmarktpolitik und Sozialpolitik besetzt haben, ist es nicht gelungen, dieses Image aufzubrechen. Deshalb muß vor allem in der Zukunft viel offensiver auf die Menschen zugegangen werden und müssen Konflikte in den eigenen Reihen offen ausgetragen werden.

Gibt es überhaupt noch eine Chance, diesen Konflikt offen auszutragen? Droht den Bündnisgrünen auch in Berlin mittelfristig Handlungsunfähigkeit

oder sogar die Spaltung?

Meine ganz persönliche Meinung dazu ist, daß es bei der Vereinigung der Partei nicht gelungen ist, sich mit den Gruppen des Herbstes 1989 zu vereinigen, bei denen wirkliche programmatische Nähe bestand, wie zum Beispiel dem Neuen Forum oder dem Unabhängigen Frauenverband. Bei „Demokratie jetzt“ oder der „Initiative Frieden und Menschenrechte“ hat es von Anfang an mehr inhaltliche Konflikte als Übereinstimmung gegeben. Es ist damals versäumt worden, sie konsequent auszutragen, nun schwelen sie unter dem Deckel weiter. Das führt zu einer „Disziplinierung“ der Partei, die auf Dauer nicht auszuhalten ist. Es wird zwar keine Spaltung geben, aber ich denke auf lange Sicht einen Ausdifferenzierungsprozeß.

Sie selber kommen von den Ost- Grünen. Ist das denn in erster Linie ein Ost-West-Konflikt?

Den sehe ich nur insofern, als es natürlich auch bei uns noch Kommunikationsschwierigkeiten gibt, das braucht sicher noch Zeit. Aber die eigentliche Auseinandersetzung ist inhaltlicher Natur. Ich glaube, Bündnis 90/Die Grünen müssen sich auch als vereinigte Partei als systemkritische Kraft verstehen. Genau hier liegt der Diskussionsbedarf, quer durch die Partei. Der Ost-West-Konflikt ist nur vorgeschoben. Interview: Uwe Rada