■ Polizeiübergriffe und die Folgen
: Ein Fall, zwei Senatoren

Polizisten prügeln, und ein Innensenator tritt zurück, weil er jahrelang von seinen Untergebenen falsch informiert und umgangen wurde. Zweifellos – in seinem Amt ist der Mann gescheitert. Mit dem Eingeständnis seines Scheiterns aber zerschlägt er zugleich den Knoten: Durch den Schritt in die Öffentlichkeit stellt er den Apparat in der Innenbehörde und der Polizeiführung bloß und sorgt so dafür, daß die Übergriffe der Polizeibeamten und die Deckung durch deren Vorgesetzte nun nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden können. Deshalb nötigt einem der Rücktritt Respekt ab.

Der Rücktritt fand in Hamburg statt, und auch ansonsten gibt es kaum Übereinstimmungen mit Berlin. Zum einen sind Polizeiübergriffe in großer Zahl bekanntgeworden, ohne daß der Innensenator dafür zurücktreten mußte. Der entscheidende Unterschied zum Hamburger Werner Hackmann ist aber, daß sein Berliner Amtskollege zwar ein hilfloser Administrator, mitnichten aber ein Opfer des Apparats ist. Die steigende Zahl von Übergriffen, rassistischen Prügeleien und Willkürhandlungen von Polizisten begleitet die Amtszeit des Innensenators wie ein Schlagschatten. Egal, wie heftig die Vorwürfe, Heckelmann hat sich immer schützend vor die Polizei gestellt und hat damit für klammheimliche Ermunterung gesorgt. Ermittlungen sind immer erst aufgenommen worden, wenn es nichts mehr zu bestreiten gab und die Beweise auf dem Tisch lagen. Mit dem stereotypen Hinweis auf einzelne schwarze Schafe wird bis heute individualisiert, was längst eine kollektive Bedrohung für eine demokratische Polizei geworden ist. Weder die brutalen Übergriffe auf die Vietnamesen noch die Prügelorgien der Kreuzberger Polizisten oder die in der Freiwilligen Polizeireserve massenhaft angetroffenen Kriminellen haben Heckelmann zum Durchgreifen bewogen. Die Kontakte seines ehemaligen Sprechers zu Rechtsradikalen haben in diesem Zusammenhang ebenfalls eine verheerende Wirkung. Keiner soll glauben, daß solche Signale nicht ankommen in einer Truppe, die auf Obrigkeit fixiert ist. Entmutigt werden dabei all jene Polizisten, die sich in ihrer notwendigen Arbeit als Demokraten begreifen und nicht als paramilitärische Rambos. Um diese Polizisten zu motivieren, sich gegen die schwarzen Schafe in der Truppe zur Wehr zu setzen, müßten sie sich der Rückendeckung des Dienstherrn sicher sein. Das Gegenteil ist der Fall. Ein Rücktritt Heckelmanns ist auch deswegen überfällig. Respekt aber würde er sich damit nicht verdienen. Gerd Nowakowski

Siehe Bericht Seite 22