Sklavenhalter statt Sponsor

■ Herrchens Frauchen auf dem Gedankenstrich im Schröderstift

Wo liegen die Grenzen zwischen Mäzenen und Freiern, wann werden Kulturschaffende nicht mehr von Sponsoren unterstützt, sondern zu deren Leibeigenen? Überhaupt: Was kostet der Verrat der Ideale? Diese Fragen stehen noch bis zum 2. Oktober auf der Schröderstiftwiese im Mittelpunkt des Musiktheaterkabaretts Herrchens Frauchen mit Lisa Politt und Gunter Schmidt. Ihr Stück Gedankenstrich erschlägt die Zuschauer mit dem Blick hinter die Kulissen des Künstlerdaseins.

Zwei politisch integre, aber mittellose Künstler verdingen sich auf dem Betriebsfest eines Katzenfutterherstellers als Stimmungskanonen. Auf der Bühne geben sie sich launig, doch im Umkleideraum tobt ein Wortgefecht zwischen den beiden: Sie rechnen miteinander, mit ihrer Vergangenheit und den Umständen, die sie in die von ihnen so empfundene Prostitution treiben, ab. Immer dann, wenn sie kurz davor sind, die Freiheit der Kunst zu proklamieren, zwingt sie das Bühnenlicht zurück vors Publikum, wo sie artig und möglichst unpolitisch Männchen-Machen vor dem „Scheck des Klassenfeinds“. Als Gipfel der Demütigung und Höhepunkt des Betriebsjuxes verzehrt Lisa, nett zurecht gemacht mit Pumps und Frack, einen Löffel mit Katzenfutter.

Politt und Schmidt werden ihrer Thematik beklemmend gut gerecht. Hinter den Kulissen wird teils im Stakkato teils in Melancholie die Revolution endgültig zu Grabe getragen, die eigenen Ideale ad acta gelegt. Die Zuschauer im Zelt fühlen sich, als wären sie selbst die armen Würstchen auf dem Betriebsfest, von den Kabarettisten bemitleidet und für viel Geld möglichst niveaulos unterhalten.

Wenn Lisa Politt als „Frau vom Chef“ gekonnt hysterisch die Mildtätigkeit der Damen aus der besseren Gesellschaft karikiert und ein Ständchen bringt, will man fast vor dem angepriesenen Kartoffelsalat flüchten. Gunter Schmidts Auftritt als entlassener Kollege, der im Bewußtsein seiner Wertlosigkeit einige letzte Worte an die feiernden Kollegen richtet, hätte nicht mitleiderregender sein können. Doch für eine melancholische Rückschau war kein Raum. Stattdessen: And the band played on.

Vera Schönfeld