Laut, amerikanisch, trendy

■ Heute und morgen findet in Berlin zum dritten Mal das große Streetball-Challenge-Finale statt / Aus dem Trendsport ist mittlerweile auch in Deutschland ein Breitensport geworden

Auf dem Kopf ein Baseball- Käppi – verkehrt herum natürlich, ein schlabberiges T-Shirt, Hosen, die weder lang noch kurz sind, sondern irgendwo dazwischen an den Knien herumschlottern und natürlich riesengroße Turnschuhe, in denen der Rest Mensch vom Knie abwärts zu versinken droht. „Oversize“ ist angesagt. Dazu ein cooles „Yo, man“ und lautes HipHop-Gedröhne aus einem überdimensionalen Ghettoblaster. Wer so aussieht, ist gerade auf dem Weg zum „hood“ (neudeutsch: Spielfeld), unter dem Arm den „pill“ (neudeutsch: Basketball). Alles klar? Streetball natürlich!

Und an diesem Wochenende ist es wieder soweit. Das Paradies der „slam dunker“ (die den Ball gekonnt von oben in den Korb „stopfen“), der „cracks“, „champs“ und „chumps“ öffnet wieder seine Felder und Körbe: Heute und morgen verwandelt sich der Parkplatz vor dem Olympiastadion in ein riesiges Basketballfeld. Zum dritten Mal seit 1992 veranstaltet „adidas“ das Streetball-Challenge-Finale in Berlin. Für den Höhepunkt der im April in verschiedenen deutschen und europäischen Städten gestarteten Streetball-Challenge-Tour werden an diesem Wochenende rund tausend Teams aus Deutschland und ganz Europa erwartet. 100 Courts (Spielfelder) stehen bereit, um die besten der besten Ballwerfer ausfindig zu machen. Mitmachen kann jeder von 10 bis 99 Jahre. Einziger finanzielle Blocker: Jedes Team muß 100 Mark Startgebühr bezahlen.

Streetball ist die Sparausgabe des großen Bruders Basketball, und die Regeln sind einfach: Drei gegen drei plus Ersatzmann/-frau spielen auf einen Korb. Schiedsrichter gibt es nicht, Fouls müssen selbst angezeigt werden. Dazu noch ein paar Regeln zum Dribbeln, Ballbesitz und Werfen. Jeder Korb zählt je nach Entfernung vom Korb ein oder zwei Punkte. Schluß ist, wenn eine Mannschaft 16 Punkte erreicht hat oder 20 Minuten Spielzeit vorbei sind.

Und während in den USA schon seit Jahren der Korb an jeder Garage und in jedem Hinterhof hängt, hat den europäischen Kids spätestens 1992 das amerikanische NBA-Dream-Team bei den olympischen Spielen in Barcelona gezeigt, daß es das Wichtigste im Leben sein kann, einen Ball in einen Korb zu werfen. Streetball auf dem Weg ins Land der langweiligen Fußballkicker. Basketball ist laut einer Umfrage des Instituts für Jugendforschung mehr „in“ als Tennis und Fußball, und auch Streetball liegt auf der Beliebtheitsskala der Jugendlichen schon auf Platz fünf. Aus dem Trendsport ist ein Breitensport geworden. Sogar die sonst jeden Trend verschlafende Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport hat die Zeichen der Zeit erkannt, Streetball offiziell zum Schulsport erklärt und klopft sich nun überglücklich auf die Schulter, „denn das ist doch ein Zeichen, daß die Schulverwaltung auch schnell reagieren kann“, freut sich Sprecher Andreas Moegelin.

Den Grund für den Streetballboom sieht „adidas“-Sprecherin Inga Weise darin, „daß sich das Freizeitverhalten der Jugendlichen geändert hat. Die wollen keine Vereine mehr, sondern einen unkomplizierten Sport, den sie überall ausüben können.“ Aber zumindest die Basketballvereine können sich nicht über mangelnden Zustrom Ballbesessener beklagen: „Bei vielen Vereinen gibt es aufgrund des enormen Ansturms Aufnahmestopps“, sagt Manfred Nippe, Jugendreferatsleiter des Landessportbundes Berlin. Auch bei den Mädchen wird Streetball immer populärer. Zwar ist am Wochenende nur jedes sechste Team eine Mädchenmannschaft, aber im letzten Jahr war es nur jede achte. Aber Streetball ist nicht nur Sport, sondern, so Inga Weise, „ein Lebensgefühl“, und darum muß das ganze Drumherum auch stimmen. Alles nach der simplen Formel: laut, amerikanisch, jugendlich und trendy. Mit NBA- Spielern wie beim Streetball-Challenge im letzten Jahr kann diesmal zwar nicht aufgewartet werden, aber Stars müssen natürlich trotzdem her.

Und wenn schon nicht NBA, dann doch wenigstens Basketball- Bundesliga. Mit Henrik Rödl und Stefan Baeck konnten immerhin knapp vier Meter heimische „Alba“-Stars mobilisiert werden. Und dazu viel HipHop-Musik, Bands, MTV-Stars, Breakdance, BMX- Shows, Cheerleader und kleine Rate- und Mitmachspielchen. Und wenn sich das Gerücht bestätigt, daß auch die Kiddie-Kult-Band „East 17“ da sein wird, dann sind neben schwitzenden Streetballern Tausende kreischende, kleine Mädchen garantiert. Patricia Pantel