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Tourismuspolitik auf Sparflamme

Die Arbeitsgruppe Fremdenverkehr der SPD-Bundestagsfraktion konferierte über Probleme mit der wachsenden Mobilität. Die Zukunftsformel heißt Vernetzung  ■ Von Christel Burghoff

Zur Freizeit und Mobilität im Tourismus gibt es sichere Erkenntnisse: zum einen über den Bewegungsdrang der Deutschen (und ihre Leidenschaft für den Pkw), zum anderen über die katastrophalen Umweltfolgen (beim Kohlenmonoxid und bei den Stickoxiden hat der Verkehr mittlerweile einen Anteil von über 70 Prozent am Gesamtausstoß erreicht). Auch auf der jüngsten Konferenz der SPD- Bundestagsfraktion in Bonn wird über das Mobilitätsproblem referiert – aber das Thema scheint kaum politikfähig zu sein. Carl Ewen, der tourismuspolitische Sprecher der SPD, stellt treffend fest, daß man während der ganzen Nachkriegszeit den Autotouristen gehätschelt habe. Die Lkws wurden sonntags von der Autobahn gejagt, damit wenigstens dann galt: freie Fahrt für freie Bürger. Oder man errichtete Tagungszentren fernab aller Bahnhöfe auf dem platten Land. Jetzt muß man den Leuten klarmachen, daß genau das Gegenteil davon richtig ist.

So erwägen die SPD-Politiker das social marketing, um eine „reflektierte Mobilität zu etablieren“. Professor Hautzinger aus Heilbronn plädiert für differenzierte Motivationsstrategien. Wer unnötigen Verkehr vermeiden will, wer gar die Trendwende will, müsse zielgruppenorientiert ansetzen. So gebe es beispielsweise die Gruppe der „Toskana-Fraktion“, die rationalen Argumenten durchaus zugänglich sei. Die Politik brauche die Strategien der Marketingspezialisten.

„Was haben wir von Ihnen zu erwarten?“ will der Umweltbeauftrage der TUI, Martin Iwand, von den Politikern wissen. „Nur daß Sie wiedergewählt werden oder daß Sie Vorgaben machen?“ – „Sie wären doch die ersten, die schreien würden, wenn wir das Flugbenzin besteuerten“, kontert die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn. Aber eigentlich will die SPD niemanden verprellen.

Und so stapeln die Politiker tief. Kleine Schritte werden diskutiert, um das „Fluchtbedürfnis der Bevölkerung“ zu senken: es werden Vorschläge zur Verschönerung der Bahnhöfe gemacht; Ansätze und Initiativen werden bemüht, die den Nahverkehr attraktiver machen. Und natürlich darf all dies nichts kosten, da die Kommunen kein Geld haben. Und die Politik der Bahn wird kritisiert: Automaten statt Personal machen Bahnhöfe nicht attraktiver. Auch die Auslagerung des Gepäckservice (von Haus zu Haus) auf die Straße stelle keinen Beitrag zum Umweltschutz dar. Die SPD fordert hingegen: Wir müssen die Ketten von kleinen Ansätzen zu Ende denken. Wenn wir eine Chance haben, dann in der Vernetzung der Systeme. „Das verkehrspolitische Ziel der SPD ist ein integriertes Gesamtverkehrskonzept“, so Carl Ewen verheißungsvoll.

Dafür allerdings hat die Deutsche Bahn längst klare Konzepte: Sie setzt auf Vernetzung der Beförderungs- und Informationssysteme und auf den versierten PC-Benutzer, der sich mit der neuen Technik auskennt. Der Bahnfahrer soll es bequem haben, und dies ist letztlich eine Frage der (teuer) organisierten Dienstleistung. Die neuesten Visionen dazu liefert die Autobranche selbst. Aus der Forschungsabteilung des Volkswagen- Konzerns kommt die volltechnokratische Lösung für das integrierte Verkehrswesen der Zukunft. Damit zusätzlich belastende Umwege vermieden werden. Schlicht formuliert: Alles muß fließen, und Voraussetzung dafür ist die zentrale Vernetzung der Verkehrsträger. Von der Bahn übers Auto bis zum Fahrradverleih. Von der „Kurzwegkommunikation bis zur Satellitennavigation“ soll dann alles machbar sein, ob mit individuellem System durch die „On- Board-Navigation“ oder im „kollektiven System und seinen zahlreichen Untersystemen“. Das perfekte Verkehrsmanagement ist am Ziel, wenn „sich das Fahrzeug quasi mit einer Infrastruktur unterhält“. Ökologisch daran soll sein, daß überflüssiges Fahren ausgeschaltet wird. So fließt der Verkehr weiter und weiter, aber reibungslos. Vernetzung als ökologische Zauberformel. Die mag zwar im Trend der technologischen Entwicklung liegen, eine Trendwende in der Mobilität wird sie nicht bringen.

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