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■ Clinton erklärt seiner Nation die Haiti-Politik der USADie UNO unter dem Sternenbanner

Ein wenig patriotischen Geschichtsunterricht konnte er sich in seiner Ansprache an die Nation nicht verkneifen. Da gab es, so sprach Bill Clinton, vor über 200 Jahren einen wild entschlossenen „Haufen“ im Norden der Neuen Welt, der sich mit dem Ruf nach Freiheit und Demokratie gegen den Tyrannen aus der alten Welt erhob. Aus dem „Haufen“ wurden die Vereinigten Staaten von Amerika, die seitdem jedem anderen Land das gleiche wünschen und „Demokratie und Freiheit“ zum beliebtesten Exportartikel erklärten.

Im Fall Haiti nun ist diese historische Betrachtung arg verklärt. Wäre Bill Clinton etwas detaillierter auf die Geschichte der US-haitianischen Beziehungen eingegangen, dann hätte er feststellen müssen, daß jene haitianische Armee, die das Land unter wechselnden Diktatoren seit Jahrzehnten drangsaliert, ebenfalls ein Produkt der USA ist: Resultat ihrer Okkupation Haitis zwischen 1915 und 1934.

Womit man beim ersten, großen Problem wäre: Was wird aus der haitianischen Armee, wenn das Putschtriumvirat, bestehend aus Raoul Cédras, Michel François und Phillippe Biamby, nach der US- Invasion erst einmal abgesetzt ist – oder sich vorher mit ein paar Millionen Dollar Prämie aus dem Fonds der CIA in ein weich gepolstertes Exilleben abgesetzt hat? Die USA haben während aller Verhandlungsrunden über eine Wiederherstellung der Demokratie in Haiti immer wieder deutlich gemacht, wie sehr ihnen am Erhalt des haitianischen Militärs gelegen ist. Forderungen Aristides, im Falle seiner Rückkehr die Personalstärke des haitianischen Militärs maßgeblich herunterzuschrauben, wurden von amerikanischen Verhandlungspartnern strikt abgelehnt. Die UNO- Resolution 940 sieht denn auch eine „Professionalisierung“ der Armee vor, die zum großen Teil in das Aufgabengebiet der geplanten UNO-Blauhelm-Mission fallen wird. Die wiederum wird unter US-amerikanischen Kommando stehen. Wer immer die Nachfolge von Cédras und Biamby antritt – vor einer Militärreform unter amerikanischer Federführung muß er keine große Angst haben.

Womit man beim zweiten, großen Problem wäre: Aller multinationaler Einsprengsel zum Trotz ist diese Mission – nennen wir sie vorläufig „Operation Restore Aristide“ – faktisch eine US-amerikanische Angelegenheit. Der Haken an solchen US-dominierten Einsätzen besteht nicht nur darin, daß die Vereinten Nationen und die Vereinigten Staaten in den letzten Jahren selten ihre Interessen unter einen Hut bringen konnten. Viel problematischer ist, daß die US- Außenpolitik der Clinton-Administration wahlpolitischen Kalkulationen und innenpoltischen Stimmungsschwankungen basiert – und damit Versagen oder Gelingen von UNO-Missionen entscheidend mitbestimmt. Das galt zuletzt für Somalia und Ruanda. Das gilt jetzt für Haiti.

Daß das Konzept des Multilateralismus so auf den Hund kommen würde, hätte man sich im UNO- Hauptquartier in New York nicht träumen lassen. Immerhin: Generalsekretär Butros Butros Ghali hat sich bei Bill Clinton ausbedungen, vom Beginn der Invasion telefonisch und nicht erst von CNN informiert zu werden. Andrea Böhm

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