Sarajevo ohne Energie

■ Erste Grenzbeobachter eingetroffen

Sarajevo (AFP/dpa) – Nachdem in den letzten Tagen bereits die Versorgung mit Strom und Wasser zusammengebrochen war, fiel gestern morgen auch die Gaszufuhr für Sarajevo aus. Die rund 380.000 Menschen in der bosnischen Hauptstadt müssen nun erstmals seit Dezember 1993 wieder völlig ohne Energie auskommen. Nach Angaben der UN-Schutztruppen war zunächst nicht festzustellen, ob ein technischer Defekt vorliegt oder die Ventile geschlossen worden sind. Sämtliche Versorgungsleitungen für die seit über zwei Jahren von serbischen Truppen belagerte Stadt verlaufen durch serbisch besetzte Gebiete.

Laut Angaben aus Sarajevo reichen die Vorräte in den UN-Treibstofflagern nur noch für zwanzig Tage. Auch weigerten sich die serbischen Verbände weiterhin, UN- Versorgungskonvois in die Stadt zu lassen. Ein UN-Konvoi mit 260 Tonnen Treibstoff werde bereits seit zwei Monaten in der 30 Kilometer westlich von Sarajevo gelegenen Ortschaft Kiseljak festgehalten. UN-Offiziere hätten Verhandlungen mit der bosnisch-serbischen Führung in Pale aufgenommen, um ein Ende der Blockade zu erreichen.

Derweil konnte die UNO einen Tag früher als geplant mit Inspektionen an der Grenze zwischen Bosnien und Restjugoslawien beginnen. Im Laufe der nächsten Woche sollen 135 zivile Beobachter die von Belgrad gegen die bosnischen Serben verhängte Versorgungsblockade überprüfen. Angesichts dessen wollte Frankreich noch gestern abend zwei Resolutionsentwürfe im UN-Sicherheitsrat vorlegen, die eine Lockerung der Sanktionen gegen Belgrad und eine gleichzeitige Verschärfung des Embargos gegen die bosnischen Serben vorsehen. UN-Botschafter Jean-Bernard Mérimée erklärte, eine Abstimmung könnte noch im Laufe der kommenden Woche stattfinden.

Truppen der bosnischen Armee setzten gestern ihre Offensive bei Konjic in der nördlichen Herzegowina fort. Schwere Kämpfe tobten auch in der westbosnischen UN- Schutzzone Bihać, wo die eingeschlossenen bosnischen Regierungsstreitkräfte eine Offensive der Serben offenbar zurückschlagen konnten. Die UN zeigte sich vor allem besorgt über die offensichtliche Beteiligung serbischer Truppen aus den besetzten Gebieten Kroatiens.