: Wortlos in den Abgrund
■ Steigerung gegen Leipzig hilft Pauli-Coach Maslo nur wenig
So locker wie am Freitag abend hatte man Uli Maslo lange nicht gesehen. Zwar blickte der Trainer des FC St. Pauli nach dem 2:2 gegen Leipzig nicht übermäßig fröhlich drein. Wer den gebürtigen Wattenscheider jedoch schon häufiger beobachtet hatte, wußte: Der Mann war zumindest für einen winzigen Augenblick glücklich und wenn nicht, so doch erleichtert. Erleichtert, daß ihm seine Mannschaft fürs erste den Kopf gerettet hatte.
Gut eine Stunde zuvor hatte Maslo vor einem Scherbenhaufen gestanden. „Was ist hier eigentlich los?“, verzweifelte er, als Torwart Rene Müller einen Freistoß von Holm Pinder zum 0:2 durch die Hände rutschen ließ. Ein Schüßchen war es gewesen, ach was, eher ein Windhauch mit etwas Ball hintendran. Zu viel für den Keeper, der aus Dresden kam und nächsten Sonntag in Düsseldorf Klaus Thomforde Platz machen wird.
Nach gut 50 Minuten war es also um Maslo eigentlich geschehen. Die Pauli-Kicker jedoch besannen sich auf etwas, was sie in der Vergangenheit immer ausgezeichnet hatte, aber in den bisherigen Saisonspielen fast gänzlich fehlte: Einsatz und Kampf. Zwei Begriffe, die in Maslos Wortschatz ihren festen Platz haben und neben „Moral“ und „Charakter“ weit vorne rangieren. Wenngleich totgedroschen, paßten sie diesmal. Mit purer Energie gelang das 2:2 (Tore: Sawitschew und Stanislawski). Ein verdienter Punkt, denn außer beim Zaubertrick „eine Chance zwei Tore“ blieben die Gäste ossigrau.
Den Fans – erneut nur gut 11.000 – war die back-to-the-roots-Spielweise sehr lieb: Viele blieben nach dem Schlußpfiff, applaudierten den durchnäßten Spielern und verziehen so ihrer „Gurkentruppe“. Doch kommt dies nicht zu spät, um Maslo noch Halt geben zu können? Wird die Leistungssteigerung nicht als neuerlicher Punktverlust erinnert werden?
Tatsache ist, daß der 58jährige mit seinen Spielanalysen oft daneben liegt, seine rhetorischen Mittel die immergleichen sind. Der Polohemdfan verkauft sich schlecht und merkt es nicht einmal. Wenn Uli Maslo gebetsmühlenartig seiner Mannschaft attestiert, gut gekämpft zu haben, meint er dies auch so. Wenn er floskelnd sagt, Moral sei die Basis, glaubt er daran. Nur: Seine grundehrliche Art kann leicht mißverstanden werden und wird oft als Naivität gedeutet.
Eine Fehleinschätzung, die jedem Trainer auf Dauer zum Verhängnis wird. Schon eher darf der Übungsleiter von Taktik keine Ahnung haben, solange er es gut verdeckt. Bei Maslo ist es umgekehrt: Was nützt dem Coach sein fraglos vorhandenes Fußballwissen, wenn keiner etwas davon mitbekommt? Er kann sich die Öffentlichkeit nicht – und sei es nur zum Luftholen – verbal vom Leib halten, denn Schauspielerei und medienwirksames self-management kommen für ihn nicht in Frage. So etwas hat er nie gelernt. Dafür: Schon mancher nicht sehr beliebte Trainer wurde trotz eines weitaus besseren Punktekontos entlassen. C. Gerlach
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