„Da fühle ich mich nicht wohl“

■ Ein Jahr nach den Bürgerschaftswahlen: Ex-Spitzenkandidatin Gisela Wild über Hamburgs FDP / „Selbstüberzeugt und wirtschaftsliberal“ Von Uli Exner

taz: Der FDP-Wahlkampf 1994 erscheint uns ziemlich angepaßt und gar nicht wild. Teilen Sie unseren Eindruck?

Gisela Wild: Ja, find' ich auch, trotzdem werde ich vor Ort an Wahlkampfständen etwas mitmachen.

Ihren Namen haben wir auf den FDP-Plakaten nicht entdecken können. Warum wohl?

Ich habe mich aus der Parteiarbeit weitgehend zurückgehalten, weil ich mich mit dem Hamburger Landesverband der FDP, wie er jetzt besteht, nicht identifizieren kann.

Also ein freiwilliger Verzicht auf stärkere Präsenz im Hamburger Bundestagswahlkampf. Oder wollte die hiesige FDP Sie nicht mehr?

Beides richtig.

Hat es Sie gekränkt, von Ihrer Partei so fallengelassen zu werden?

Überhaupt nicht. Weil das, was ich im vergangenen Jahr erreichen wollte, nicht gelungen ist, nämlich die Hamburger FDP zu erneuern. Deshalb bin ich in ihr derzeit auch nicht sehr engagiert.

Haben Sie sich als Seiteneinsteigerin mit diesem Erneuerungsversuch, mit der plötzlichen Spitzenkandidatur bei den letzten Bürgerschaftswahlen zuviel zugemutet?

Das glaube ich nicht. Auch wenn es vielleicht etwas gewagt war, die FDP in so kurzer Zeit aufmischen zu wollen, um sie wieder wählbar zu machen. Trotzdem finde ich es auch heute noch richtig, daß ich es versucht habe.

Trotz des Mißerfolgs, des Scheiterns an der Fünfprozenthürde?

Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir es geschafft hätten – wenn Markus Wegner nicht mit seiner Statt Partei gekommen wäre.

Der war der glaubwürdigere Seiteneinsteiger?

In den Augen der Wähler ja. Aber sie haben damit auch gezeigt, daß sie etwas anderes haben wollten, das sie der FDP nicht abgenommen haben. Mir haben viele Menschen gesagt: Sie persönlich würden wir ja wählen, aber Ihre Partei können wir nicht wählen.

Sie selbst haben keine Fehler gemacht?

Aber gewiß doch. Einer war zum Beispiel zu glauben, daß in dem Moment, in dem ich zur Spitzenkandidatin gewählt war, die Hamburger FDP sich geschlossen hinter mich stellen würde. Da habe ich mich getäuscht.

Sonst war alles richtig?

I wo, vermutlich war mein Auftreten, mein Programm auch ein wenig zu intellektuell. Vielleicht haben die Menschen nicht richtig verstanden, was ich mit dem „mündigen Bürger“ gemeint habe.

Manchen erschien Ihr Auftreten eher zu unbeholfen als zu intellektuell. War das nicht der entscheidende Nachteil gegenüber den Polit-Profis aus den anderen Parteien?

Das war gerade kein Nachteil. Das Problem war eher, daß alle, die mich angesprochen haben – vor allem die Presse – gemeint haben, mich behandeln zu müssen, als sei ich ein Polit-Profi. Als müßte ich jedes noch so kleine Hamburger Problem kennen. Und müßte zu allem und jedem einen Spruch auf Lager haben. Aber genau das wollte ich ja nicht. Ich wollte mehr an der Sache arbeiten als an der Schaustellung...

Aber nur im Parlament. An der außerparlamentarischen Arbeitsgruppe der FDP haben Sie sich nach der Wahlniederlage nicht beteiligt.

Nein, das ist ja genau die parteiinterne Gruppe, von der ich meinte, daß sie aufgemischt werden müßte. Die führt jetzt ihr Eigenleben, selbstüberzeugt, wirtschaftsliberal. Da würde ich mich nicht wohlfühlen.

Wen wählen sie am 16. Oktober?

Natürlich die FDP.