Welcher Rahmen für das Grauen?

■ Mit dem Verkauf der Felix-Nussbaum-Sammlung will Osnabrück einen neuen Museumstrakt für den in Auschwitz ermordeten Künstler finanzieren – und wird der Spekulation verdächtigt

Die Stadt Osnabrück besitzt mit 136 Werken des jüdischen Malers Felix Nussbaum (1904-1944) eine der bedeutendsten und bewegendsten Sammlungen deutscher Exilkunst. Doch die Ausstellungs- und Depot-Räume sind knapp: In zwei Sälen des Kulturhistorischen Museums hängen dicht gedrängt 120 Bilder unter konservatorisch bedenklichen Bedingungen. Stellwände, die das Leben des im Vernichtungslager Auschwitz ermordeten Künstlers dokumentierten, wurden vor einigen Jahren entfernt, weil sie die Sicht auf die Bilder versperrten. Nun muß der Besucher kleingedruckte und unübersichtliche Wandtäfelchen den Bildern zuordnen, wenn er sich über die bedrückende Situation informieren will, in der sie entstanden. Da müßte die Freude groß sein, daß nun bis 1998 ein Anbau für diese Nussbaum-Sammlung entstehen soll – rechtzeitig zum 350. Jahrestag des 1648 geschlossenen Westfälischen Friedens.

Doch die Kulturkritiker verschiedener überregionaler Tageszeitungen empören sich über die Art seiner Finanzierung: Die Stadt Osnabrück verkauft ihre Sammlung nämlich an die Niedersächsische Sparkassenstiftung, um sich den Anbau leisten zu können. Sechs Millionen Mark nimmt die Kommune für die Unterbringung der Werke ein, die ihr dann nicht mehr gehören, sondern nur als Leihgabe überlassen werden. Da scheint die moralische Prügel, die alle beteiligten Vertragspartner in jüngster Zeit einstecken mußten, doch sehr gerechtfertigt.

„Widerstandskunst verkommt zur Kapitalanlage“

Widerstandskunst verkomme zur Kapitalanlage, lautete einer der Vorwürfe, andere fürchten in Zukunft eine ästhetisch glatte Präsentation der Bilder, manche unken die Sparkassenstiftung werde die Nussbaum-Sammlung aus dem kleinen Osna- brück ins werbewirksamere Berlin verfrachten. Außerdem habe die Stadt den Ankauf der noch erhaltenen und nur 1,5 Millionen Mark teuren Villa der Familie Nussbaum verabsäumt. Dort hätte die Sammlung zwar einen bescheideneren, dennoch angemessenen Platz gefunden. Das Schlagwort von der „postmodernen Repräsentationskultur“ war schnell zur Hand.

Stadt, Museum und Stifter fühlen sich jedoch zu Unrecht angegriffen. „Wir haben es vielleicht versäumt, die Öffentlichkeit optimal zu informieren, doch so sind die Verdächtigungen nicht haltbar“, sagt Osnabrücks Kulturdezernent Reinhard Sliwka. Die Stadt sei wegen der beschämenden Präsentation der Bilder in der Vergangenheit oft kritisiert worden. Die Unterbringung in der Nussbaum-Villa an der Schloßstraße würde an den Problemen nichts ändern: Auch die sei zu klein und müßte kostenträchtig umgebaut werden.

Jetzt nutze die Kommune die Möglichkeit, einen sachgerechten Neubau zu planen, den sie allein nicht finanzieren könne. „Der Vertrag legt fest, daß die Sammlung in Osnabrück bleibt. Wir haben sogar ein Wiederkaufsrecht zum gleichen Preis. Wenn die Stiftung die Bilder dauerhaft an eine andere Stadt auszuleihen gedenkt, muß unsere Stadtsparkasse zustimmen. Und in deren Verwaltungsrat verfügt die Stadt über eine Sperrminorität“, erläutert Sliwka. Und die Stadt möchte die von ihr zusammengetragene und bekannt gemachte Sammlung keinesfalls verlieren. Die naheliegende Lösung, daß die Stiftung den Bau direkt sponsort, war nicht realisierbar. Die Stiftungssatzung verbiete die unmittelbare Beteiligung an Bauvorhaben, erklärt der Sparkassen-Vorstand. So habe es nur die Möglichkeit einer Umwegfinanzierung gegeben. Die mag nicht sonderlich elegant sein, dient aber den besonderen Ausstellungsanforderungen der Sammlung.

Wie aber soll das Werk des gebürtigen Osnabrückers Felix Nussbaum präsentiert werden? Die Konservatorin und derzeitige Sprecherin am Kulturgeschichtlichen Museums, Inge Jaehner, will die Verfolgung des Künstlers deutlich machen: Erhaltene Briefe, Fotos, Registereintragungen und Aktenstücke der Nazibehörden dokumentieren seinen Weg ins und im Exil in ungewöhnlich geschlossener Weise. „Wir wollen aber auch die künstlerische Qualität der Bilder hervorheben. Denn wir bekommen manchmal zynische Bemerkungen zu hören, daß Nussbaum nichts besonderes wäre, hätten die Nazis ihn nicht im KZ umgebracht“, sagt Jaehner.

„Wir wollen das Werk nicht ästhetisch glattbügeln“

Nussbaum sei ein kunstgeschichtlicher Sonderfall, der aus der neuen Sachlichkeit kommend in seiner existentiellen Not einen eigenen Stil ausgebildet habe. Dabei sind Biografie, Verfolgung und Werk unlösbar miteinander verbunden. „Wir haben nicht vor, das Werk ästhetisch glattzubügeln, sondern wollen es in seinen vielfältigen Aspekten zeigen“, erläutert die Konservatorin. Der Anbau biete dafür mehr Platz und werde den konservatorischen Anforderungen am besten gerecht. Auch an Wechselausstellungen ist gedacht, die in dem bisherigen Rahmen gar nicht möglich gewesen wären.

Daß in dem Anbau nicht eine bloße Kunstausstellung stattfinden darf, darauf besteht auch die in Osnabrück ansässige Nussbaum-Gesellschaft: „Die Zerstörung der Person Nussbaums muß dokumentiert werden“, sagt der stellvertretender Vorsitzender Peter Junk. Obwohl auch er über die Art der Finanzierung nicht glücklich ist, begrüßt er den Anbau: „Der Vertrag ist eindeutig so, daß er den Verbleib der Sammlung in Osnabrück sichert und das Anliegen der Sammlung fördert.“ Zu diesem Anliegen gehöre es, die Beschäftigung mit dem Schicksal der anderen verfolgten Juden anzuregen.

Darum verfolgt die Gesellschaft auch weiterhin das Ziel, die Nussbaum-Villa anzukaufen. „Unser Wunsch ist es, daß die Universität dort Exilforschung betreiben kann“, sagt Peter Junk. Ein entsprechendes Projekt ist bereits in Aussicht: Die Stadt Osnabrück wird demnächst den Nachlaß des Chefanklägers bei den Nürnberger Prozessen, Robert Kempner, erhalten; diese Dokumente sollen dann an historischer Stelle in der Villa aufgearbeitet werden. Alois Bierl