Zwischen Spielmobilen und Sklaverei

Das Fest zum Weltkindertag rund um das Brandenburger Tor zog Kids und ihre Eltern trotz herbstlichen Wetters nach draußen / Die Frage des Tages: Warum ein Weltkindertag?  ■ Von Jeannette Goddar

„Sie sind sechs Jahre alt und müssen 15 Stunden am Tag arbeiten“, leistet ein blondes Mädel mit Mikrofon Überzeugungsarbeit bei den Großen mit dem Kleingeld. Zu ihrer Linken singt ein Clown von einer Kapitänsfrau, die sich die Mütze vom Kopf nimmt. Zu ihrer Rechten malträtieren Kinder in dicken Jacken ein riesengroßes Luftkissen. Die Kleine gibt nicht auf. „Stellen Sie sich das mal vor, wenn Ihre Kinder so arbeiten müßten. Also – kaufen Sie. Oder spenden Sie. Bitte, bitte.“ Das Mädchen sammelt für versklavte Kinder in Indien.

Denn morgen ist Weltkindertag, und bereits gestern wurden deshalb Unter den Linden und der Pariser Platz zur gutbesuchten Spielwiese und Aktivistenmeile für Kinder und Kinderrechtler. So gegensätzlich wie die Interessen von Jung und Alt waren auch die Angebote: Feuerrote Spielmobile und Aufklärungsmaterial zur Suchtprophylaxe, „Magnetfrüchte zur Kühlschrankdekoration“ und „Keine Kürzungen bei den Kleinsten“, handgeschriebene Kinderwünsche in Klarsichtfolie zwischen RTL-Promotion-Flugblättern, Trampoline und das „Glücksrad zugunsten heimatloser Tiere“, Clownerie und Aufklärung des „Notrufs für selbstmordgefährdete Jugendliche“.

So wenig alles zusammenpaßte – schließlich fand doch alles und jedes das passende Klientel: Erwartungsgemäß übten sich die Kinder in Aktion, während ihre Eltern an den Ständen lasen und diskutierten. Die Frage des Tages: Warum ein Weltkindertag? Ein netter Anlaß für ein Fest, für die Kinder eine aufregende Abwechslung oder eine gute Gelegenheit zur Durchsetzung von kinderfreundlicher Politik?

Auch die „Professionellen“ meldeten sich zu Wort. Der Weltkindertag sei „wieder mal ein Feiertag, auf dem ganz viele Menschen Sonntagsreden halten“, erklärte leicht resigniert Burkhardt Gnärig, Geschäftsführer von terre des hommes, in einer von Kids moderierten Talk-Runde. „Trotzdem muß man solche Tage nutzen, darüber zu reden, daß auch Kinder Rechte haben. In anderen Ländern ist man da schon weiter.“

Dennoch gehe es „den deutschen Kindern in vieler Hinsicht viel besser als anderswo“. Gnärig erzählte von teppichknüpfenden Kindern mit verkrüppeltem Rückgrat in Indien und auch, was deutsche Kinder damit zu tun haben und was sie tun könnten, um ihre KollegInnen in anderen Kontinenten zu unterstützen. Kinder müssen zusammenhalten. Doch die kindliche Solidarität ließ etwas zu wünschen übrig. „Aber wenn wir nur Teppiche von Erwachsenen kaufen, kann es doch auch sein, daß die auch nichts dafür kriegen. Das finde ich genauso schlimm“, kommentierte eine besonders Pfiffige.

Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) hatte – wie immer – viele vielversprechende Worte parat. Daß man in Bonn eine „ganz andere Jugendpolitik machen könnte“, diktierte er zwei jungen Zeitungsreportern frohlockend in ihr Aufnahmegerät. „Ich würde von der Bundesregierung Geld besorgen und das in die Kinder- und Jugendeinrichtungen im ganzen Land stecken.“ Man darf gespannt sein.