Zivilcourage gegen Rechts

■ Bürgerforum Paulskirche fordert die Linke zu Aufklärungskampagnen auf

Frankfurt/Main (taz) – Der Politologe Jürgen Seifert von der „Humanistischen Union“ beklagt die Ohnmacht der Linken. Weder innerhalb noch außerhalb der Parlamente sei es gelungen, die „Kampagnenpolitik“ der Konservativen zu durchkreuzen. Die Linke – vor allem aber die SPD im Bundestag – habe in drei Legislaturperioden die Regeln für das politische „Mühlespiel“ verlernt. Wenig Optimistisches war gestern auf dem zweiten Bürgerforum Paulskirche zu hören. Seifert: „Die Bundesregierung setzt die Steine. Und die Sozialdemokraten basteln sich zur Freude der Konservativen ihre Zwickmühlen selbst zusammen.“

Der Asylkompromiß und auch das Verbrechensbekämpfungsgesetz, über das derzeit der Vermittlungsausschuß berät, sei eine solche politische „Zwickmühle“, mit der es den Konservativen jeweils gelungen sei, die „Verfassung auszuhebeln“. Wie daraus herauskommen? Seifert bot den 200 ZuhörerInnen eine simple Gegenstrategie an, dem herrschenden konservativen „Mainstream“ entgegenzuwirken. Weil die Demokratie mit dem Rücken an der Wand stehe, sei Angriff die beste Verteidigung. Den Angstkampagnen der Konservativen müßten Aufklärungskampagnen von „unserer“ Seite entgegengesetzt werden. So habe etwa die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit ihren Kampagnen mehr Menschen erreicht und „bewegt“ als alle politischen Initiativen der parlamentarischen und außerparlamentarischen Linken in den letzten zehn Jahren. Selbst wenn Greenpeace eigentlich eine „undemokratische Organisation“ sei, könne die Linke von den zentralistisch organisierten Kampagnen lernen – ebenso wie von den kampagnefähigen Konservativen.

Die aktuelle Kampagne der Konservativen, die mit der Unterstützung fast aller Medien zur Zeit „durchgezogen“ werde, sei die Behauptung, daß die Bundestagswahl bereits gelaufen sei. Kaum eine Zeitung oder ein elektronisches Medium verkaufe noch eine andere Wahrheit als die von den Konservativen „zurechtgebogene“, meinte auch der Moderator der Veranstaltung, Wilhelm von Sternburg. Er warnte vor einer weiteren Konzentration in der Medienlandschaft. Schon heute müsse festgestellt werden, daß Hugenberg gegen die Mediengewaltigen der Gegenwart „ein Zwerg“ gewesen sei. Jedoch über die Medien würden „die Köpfe der Menschen verändert“.

„Kampagnen von unten“ hatte auf der Veranstaltung im Schauspiel mit dem Titel „Zivilcourage gegen Rechts“ am Sonnabend auch der Psychoanalytiker Horst- Eberhard Richter gefordert. Schließlich seien soziale Fortschritte von der Arbeiterbewegung erkämpft worden. Ohne den Druck der Frauenbewegung wäre die immer noch rückständige Gleichstellungspolitik noch längst nicht so weit, wie sie immerhin schon gelangt sei.

Mit „Zivilcourage“ den „rechten Autoritarismus“ überwinden, lautete das Fazit von Richter während der Grundsatzdebatte um eine demokratische Gesellschaft in neuer Verfassung. Und „Zivilcourage“ zeigen, bedeute heute vor allem „Solidarität“ bezeugen mit jenen Minderheiten, deren Schutz die „über unseren Köpfen tagende Verfassungskommission“ fatalerweise für „überflüssig“ erklärt habe. In diversen Foren beratschlagte das Bürgerforum Paulskirche gestern nachmittag – nach Redaktionsschluß – weiter. K.P. Klingelschmitt