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Nervenkrieg vor der Invasion

■ Carter-Mission nach drei Treffen mit Haitis Militärmachthaber zurück in Washington

Washington (taz) – Noch einen dritten Versuch startete gestern der Unterhändler der US-Regierung, Ex-Präsident Jimmy Carter, um die haitianischen Militärmachthaber zum freiwilligen Aufgeben zu bewegen. „Hoffnungsvoll“ sah Carter die Chancen, eine friedliche Lösung herbeizuführen. Er verhandelt im Auftrag von US- Präsident Clinton, um durch einen vorzeitigen Rücktritt der Militärs doch noch eine US-geführte Militärintervention zu verhindern. Die ersten beiden Gesprächsrunden vom Samstag waren nach Angaben des Weißen Hauses ergebnislos verlaufen. Auch nach der dritten Runde sagte in Washington US-Generalstabschef John Shalikashvili, die USA folgten einem „sehr genauen Terminplan“. Das Programm für eine mögliche Militärintervention sei nicht geändert worden.

Noch Ende der Woche schien eine weitere Runde im US-haitianischen Eiertanz eigentlich ausgeschlossen. Doch kaum hatte US-Präsident Bill Clinton seiner Nation am Donnerstag abend in einer Fernsehansprache erklärt, daß alle diplomatischen Versuche, die haitianischen Putschführer zum Rücktritt zu bewegen, gescheitert seien und eine Militärinvasion unausweichlich bevorstehe, da eilte er schnurstracks zurück ins „Oval Office“, um die nächste Verhandlungsdelegation zusammenzustellen und gen Haiti zu schicken. Clinton rekrutierte große Namen: Mit Carter flogen der Ex-Vorsitzende der Stabschefs, Colin Powell, sowie der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im Senat, Sam Nunn. Carter leitete jene internationale Delegation, die 1990 die ersten freien Präsidentschaftswahlen – und den Wahlsieg Aristides – beobachtete. Der ehemalige US-Präsident zeigte sich damals voll des Lobes über das Militär, das sich unter Führung von Cédras vorbildich verhalten hätte. Sowohl Carter als auch Powell und Nunn hatten in den letzten Wochen mehr oder weniger deutlich Kritik an einer möglichen US-Invasion in Haiti geübt.

Während sich vor der Küste Haitis eine Armada von US-Kriegsschiffen formierte, traf die US-Delegation am Samstag zweimal mit den Militärführern Raoul Cédras und Philippe Biamby, deren Rücktritt zentrale Forderung der USA ist, und weiteren Offizieren der haitianischen Armee zusammen. Polizeichef Michel François, der sein Amt ebenfalls räumen soll, nahm an den Treffen nicht teil.

Mit seinem neuerlichen diplomatischen Manöver hatte Clinton nicht nur die Öffentlichkeit, sondern auch seine eigenen Berater überrascht. Was der Präsident am Samstag als „letzte, beste Chance“ für eine friedliche Lösung deklarierte, ist nach Befürchtung von Befürwortern einer Invasion eher der Versuch, eine solche aufgrund der anhaltenden innenpolitischen Kritik zu vermeiden, ohne dabei allzu großen Gesichtsverlust zu erleiden. Vor diesem Hintergrund wäre der Spielraum für die Putschisten, neue Bedingungen zu stellen, wieder enorm gewachsen. Nach Berichten der New York Times wollte die Delegation nicht nur über die Modalitäten des Abtritts von Cédras, Biamby und François verhandeln. Unklar war gestern abend noch, ob die haitianischen Putschführer erneut als Gegenleistung für einen Rücktritt verlangten, daß Präsident Aristide nicht aus dem Exil zurückkehren darf. Andrea Böhm

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