Barschels Erbe

■ Wie die Hansestadt Lübeck zu einer Musik- und Kongreßhalle gekommen ist Von Konrad Dittrich

Alle Welt redet von leeren Kassen, Lübeck aber baut eine Musik- und Kongreßhalle. Am 1. Oktober wird Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) das 87 Millionen Mark teure Gebäude einweihen, das eigentlich ein Wahlgeschenk ihres Vorvorgängers Uwe Barschel (CDU) ist.

Die Lübecker Hallenmisere war jahrzehntelang beklagt worden. Dem städtischen Orchester oder Gastmusikern stand lediglich ein Kinosaal zur Verfügung. Er war so karg, daß manche wieder abreisten und nie zurückkehrten. Die Wende kam exakt am 11. Februar 1987.

An jenem Tag – eine halbes Jahr vor der so schicksalhaften Landtagswahl – besuchte Uwe Barschel die ehrwürdige Hansestadt und verkündete, das Land stelle der Stadt 60 Millionen Mark für eine Halle zur Verfügung, „als Anerkennung für 50jährige Zugehörigkeit zu Schleswig-Holstein“.

Nach Barschels Tod tat sich die Regierung Engholm schwer, das Versprechen zu übernehmen. Als das Kieler Kabinett sich dazu durchgerungen hatte, wurde in Lübeck lange diskutiert, ob man sich den finanziellen Kraftakt leisten solle. Denn die 60 Millionen würden nicht reichen. Die Kommunalpolitiker aber wußten: Wenn sie ablehnten, bliebe die Stadt auf lange Zeit ohne Konzertsaal. So gab man auch im Rathaus schweren Herzens grünes Licht und Anfang November 1992 legte der gebürtige Lübecker Björn Engholm den Grundstein.

Am 1. Oktober soll der weiße Komplex am Traveufer gegenüber der Altstadt fertiggestellt sein. Die größten der 240 Räume sind der Konzertsaal mit mehr als 2 000 Plätzen und das „Vielzweck-Foyer“, das 1 500 Quadratmeter umfaßt. Hier können Jazzkonzerte, Rundfunkdiscos, oder Fernsehshows ebenso veranstaltet werden wie Ausstellungen, Tagungen, Bälle oder Konferenzen. Technisch sind die Räume fürs nächste Jahrtausend ausgestattet.

Das kulturelle Leben der Region soll einen gewaltigen Auftrieb bekommen. Namen wie José Carreras oder Montserrat Caballe stehen schon für den Herbst im Programm. Dazu kommen Größen des Jazz, der Volksmusik, aber auch große Orchester wie das des Gewandhauses aus Leipzig oder die Tschechische Philharmonie.

Angekündigt sind bis Dezember auch viele Größen des Showgeschäfts, darunter Milva, Udo Jürgens, Hermann van Veen, André Heller, Reinhard Mey oder Klaus Hoffmann – dazu gibt es Opernaufführungen, Operetten-, Ballett-, Musical- und Theatergastspiele.

Auch das Kongreßgeschäft, das lange Vorlaufzeiten erfordere, mache sich bereits sehr gut, sagte Geschäftsführer Johann Wagner. Schon im nächsten Jahr kämen namhafte Tagungen in die alte Hansestadt. Und für 1996 ist der Deutsche Kinderärzte-Kongreß mit 4000 Teilnehmern fest gebucht. Auf den soll auch das Hamburger CCH scharf gewesen sein.