Kinder zwischen Gewalt und Giften

■ Hamburgs Kinderschutzbund sieht schwarz für die Zukunft kommender Generationen und fordert Kinderbeauftragten

Fehlende Betreuungsplätze, kinderfeindliche Verkehrs- und Wohnsituation, Arbeitslosigkeit der Eltern, Gewalt in der Familie und in der Schule - der Kinderschutzbund Hamburg sieht langfristig schwarz für die Kinder der Stadt, wenn es so weitergeht wie bisher. „Die Konsequenzen der momentanen Entwicklung kann man ahnen“, sagte der Vorsitzende des Bundes, Wolf Rauer, gestern vor Journalisten. Er befürchtet, daß die Interessen der Kinder weiter unberücksichtigt bleiben und sich deren körperliche, seelische und soziale Entwicklung zunehmend verschlechtert.

Um dem entgegenzusteuern, fordert der Kinderschutzbund einen behördenunabhängigen Kinderbeauftragten, der die Belange von Kindern und Jugendlichen vertritt. „Wir brauchen auch einen Familienlastenausgleich, der sich an den tätsächlichen Kosten für Kinder orientiert“, sagte Rauer. 800 Mark monatlich hält er für angemessen.

Ferner müßten sich die Grenzwerte für die heute in Luft und Boden allgegenwärtigen Schadstoffe seinen Vorstellungen nach „endlich am kindlichen Organismus orientieren“. Bei der Stadtplanung sollte Sozialverträglichkeit und Kinderfreundlichkeit zum Maßstab aller Entwicklungen werden. „Die Tagesbetreuungsplätze müssen mit Hochdruck bedarfsorientiert ausgebaut werden.“

Rauers düsteres Bild der Lebenssituation von Hamburger Kindern schloß auch die finanzielle Enge ein, in der viele Jungen und Mädchen aufwachsen: mittlerweile 21 Prozent der Kinder leben von Sozialhilfe, in Teilen der Innenstadt und Harburgs sind es sogar bis zu 50 Prozent.

Das soziale Umfeld machte Rauer entscheidend mit für die Entwicklung von Kindern verantwortlich: Ohne Arbeit, in engen Wohnungen und ohne die Möglichkeit, ihre Kinder in Tagesstätten betreuen zu lassen, seien Eltern gestreßt und übten immer häufiger Gewalt gegen ihre Kinder aus. Diese reagieren mit Drogen wie Alkohol (etwa 40 Prozent aller 12-17 jährigen trinkt regelmäßig) und steigern ihren Fernsehkonsum. Selbst wenn Eltern den Schritt schaffen, sich mit ihren Problemen an die überlasteten Beratungsstellen zu wenden, müssen sie sehr oft abgewiesen oder weitervermittelt werden.

Rauer: „Die Zukunft eines großen Teils unserer Kinder darf nicht wegen kurzfristiger finanzieller Gesichtspunkte verspielt werden. Es muß endlich gehandelt werden!“ Philipp Müller